Haben Sie sich jemals gefragt, wie man sich in einem Strafverfahren fühlt, wenn man glaubt, dass das eigene Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde? Viele Menschen finden sich in einer solchen Situation wieder, insbesondere wenn es um den Ausschluss der Öffentlichkeit oder den Angeklagten während einer Zeugenaussage geht. Ein bemerkenswertes Urteil des Bundesgerichtshofs (1 StR 383/00) zeigt, wie solche Verfahrensfragen rechtlich geklärt werden können. Wenn Sie also in einer ähnlichen Lage sind, könnte dieses Urteil Ihnen wertvolle Einsichten und Lösungen bieten.
1 StR 383/00 Vergewaltigungsvorwurf
Fallübersicht
Konkrete Situation
In diesem Fall ging es um eine strafrechtliche Verhandlung vor dem Landgericht Regensburg, bei der der Angeklagte wegen Vergewaltigung in zwei Fällen angeklagt war. Der Angeklagte wurde beschuldigt, zwei Frauen vergewaltigt zu haben, was zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte. Die Geschädigten traten als Nebenklägerinnen im Verfahren auf.
Antragsteller (Angeklagter): Verurteilter
Der Angeklagte, der bereits verurteilt worden war, legte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg ein. Er argumentierte, dass Verfahrensfehler vorlagen, insbesondere im Zusammenhang mit der Vernehmung der Zeuginnen, und dass sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei. Der Angeklagte war der Ansicht, dass die Verhandlung unter Verstoß gegen die Strafprozessordnung (StPO) durchgeführt wurde.
Antragsgegner (Zeugin): Geschädigte
Die Geschädigten, die als Nebenklägerinnen auftraten, unterstützten das ursprüngliche Urteil und trugen vor, dass die Vernehmungen unter Wahrung ihrer schutzwürdigen Interessen durchgeführt wurden. Sie betonten, dass ihre psychische Gesundheit durch die Anwesenheit des Angeklagten während der Vernehmung gefährdet gewesen wäre.
Urteil
Das Gericht entschied zugunsten der Geschädigten und verwarf die Revision des Angeklagten. Der Angeklagte verlor somit den Revisionsprozess. Als Ergebnis musste der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren tragen.
Onkel bestreitet Nichte Vorwürfe in Missbrauchsprozess (1 StR 439/00) 👆1 StR 383/00 Relevante Rechtsvorschriften
§ 247 StPO
Der § 247 der Strafprozessordnung (StPO) erlaubt es, den Angeklagten während der Vernehmung eines Zeugen aus dem Sitzungssaal zu entfernen, wenn zu befürchten ist, dass die Anwesenheit des Angeklagten den Zeugen erheblich in seiner Aussage beeinflusst oder seine seelische Verfassung schädigt. Im konkreten Fall wurde der Angeklagte während der Vernehmung der Zeugin F. entfernt, da diese an einer psychischen Erkrankung litt, die durch seine Anwesenheit verschlimmert werden konnte.
§ 247a StPO
Die audiovisuelle Vernehmung gemäß § 247a StPO stellt eine alternative zeugenschonende Maßnahme dar. Sie kommt jedoch nur dann zum Einsatz, wenn alle anderen Maßnahmen, wie etwa die Entfernung des Angeklagten oder der Ausschluss der Öffentlichkeit, nicht ausreichen, um die Gefahr für das Wohl des Zeugen abzuwenden. Diese Bestimmung zeigt, dass der Gesetzgeber dem Schutz der Zeugen bei gleichzeitiger Beachtung des Unmittelbarkeitsprinzips (d.h., die direkte Wahrnehmung der Beweise im Gericht) Priorität einräumt.
§ 338 Nr. 5 StPO
Dieser Paragraph behandelt die absoluten Revisionsgründe, unter anderem wenn der Angeklagte zu Unrecht von der Verhandlung ausgeschlossen wurde. In diesem Fall wurde argumentiert, dass der Ausschluss des Angeklagten nicht zu beanstanden sei, da der Schutz der psychischen Gesundheit der Zeugin vorrangig war.
Art. 6 Abs. 3d MRK
Gemäß Artikel 6 Absatz 3d der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) hat der Angeklagte das Recht, Belastungszeugen zu befragen oder befragen zu lassen. Im vorliegenden Fall wurde dieses Recht gewährleistet, indem der Verteidiger in der Lage war, während der Hauptverhandlung Fragen an die Zeugin zu richten. Dadurch wurde sichergestellt, dass die Verteidigungsrechte des Angeklagten gewahrt blieben, auch wenn er selbst nicht bei der Vernehmung anwesend war.
Bandenboss schmuggelt Tonnenweise Heroin quer durch Europa (1 StR 59/00) 👆1 StR 383/00 Urteilsgrundlage
Grundsätzliche Auslegung
§ 247 StPO
Grundsätzlich erlaubt § 247 der Strafprozessordnung (StPO) den Ausschluss des Angeklagten von der Verhandlung, wenn die Anwesenheit des Angeklagten die Aussage einer Zeugin oder eines Zeugen erheblich beeinträchtigen könnte. Diese Bestimmung dient dem Schutz der Zeugin oder des Zeugen und soll verhindern, dass die Anwesenheit des Angeklagten eine belastende oder traumatische Wirkung hat.
§ 247a StPO
§ 247a StPO sieht die Möglichkeit vor, eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin oder des Zeugen durchzuführen, wenn eine persönliche Anwesenheit des Angeklagten nicht möglich ist, ohne die Zeugin oder den Zeugen erheblich zu belasten. Diese Regelung stellt sicher, dass die Rechte des Angeklagten auf Konfrontation (direkte Gegenüberstellung) mit der Zeugin oder dem Zeugen gewahrt bleiben, während gleichzeitig deren Schutzbedürfnis Rechnung getragen wird.
§ 338 Nr. 5 StPO
§ 338 Nr. 5 StPO behandelt die absoluten Revisionsgründe, darunter auch den Fall, dass das Gericht bei der Vernehmung von Zeuginnen oder Zeugen gegen Verfahrensvorschriften verstößt, die den Ausschluss der Öffentlichkeit oder des Angeklagten betreffen. Solche Verstöße können zur Aufhebung eines Urteils führen, wenn sie die Rechte der Beteiligten in erheblichem Maße verletzen.
Art. 6 Abs. 3d MRK
Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) garantiert das Recht des Angeklagten, Belastungszeugen zu befragen oder befragen zu lassen. Dies bedeutet, dass der Angeklagte oder seine Verteidigung die Möglichkeit haben muss, die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen zu prüfen.
Ausnahmeauslegung
§ 247 StPO
Eine Ausnahme liegt vor, wenn der Ausschluss des Angeklagten keine andere Möglichkeit mehr darstellt, um die Aussage der Zeugin oder des Zeugen zu schützen. In solchen Fällen muss das Gericht sicherstellen, dass die Rechte des Angeklagten gewahrt bleiben, indem beispielsweise der Verteidigung die Möglichkeit gegeben wird, Fragen durch den Richter stellen zu lassen.
§ 247a StPO
Die Ausnahmeauslegung bei § 247a StPO betrifft Situationen, in denen die audiovisuelle Vernehmung trotz anderer Schutzmaßnahmen notwendig ist. Dies ist dann der Fall, wenn selbst der Ausschluss des Angeklagten oder der Öffentlichkeit nicht ausreicht, um die Zeugin oder den Zeugen zu schützen, und eine direkte Konfrontation unerlässlich ist.
§ 338 Nr. 5 StPO
Ausnahmen bei § 338 Nr. 5 StPO beziehen sich auf Fälle, in denen Verfahrensfehler aufgrund besonderer Umstände nicht als so schwerwiegend angesehen werden, dass sie zur Aufhebung eines Urteils führen müssten, etwa wenn die Rechte des Angeklagten durch andere Maßnahmen gewahrt werden konnten.
Art. 6 Abs. 3d MRK
Eine Ausnahmeauslegung nach Art. 6 Abs. 3d MRK ist denkbar, wenn die direkte Befragung der Belastungszeugen durch den Angeklagten aufgrund besonderer Schutzbedürfnisse der Zeugin oder des Zeugen nicht möglich ist, solange die Verteidigung dennoch in der Lage ist, die Glaubwürdigkeit der Aussagen in anderer Weise zu prüfen.
Angewandte Auslegung
Im vorliegenden Fall wurde die Auslegung der §§ 247 und 247a StPO sowie des Art. 6 Abs. 3d MRK sowohl nach den Grundsätzen der grundsätzlichen als auch der Ausnahmeauslegung vorgenommen. Das Gericht entschied, den Angeklagten während der Vernehmung der Zeugin auszuschließen, um deren psychische Gesundheit zu schützen, was der grundsätzlichen Auslegung des § 247 StPO entspricht. Gleichzeitig wurde die audiovisuelle Vernehmung gemäß § 247a StPO abgelehnt, da die Entfernung des Angeklagten als ausreichend erachtet wurde, um die Zeugin zu schützen. Diese Entscheidungen spiegeln die Balance zwischen dem Schutz der Zeugin und den Rechten des Angeklagten wider und zeigen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen flexibel angewendet wurden, um den spezifischen Umständen des Falles gerecht zu werden.
Goldene Geschäfte oder kriminelle Komplizenschaft (1 StR 392/00) 👆Zeugenschutz im Strafprozess Lösung
1 StR 383/00 Lösung
Im Fall 1 StR 383/00 hat der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Der Angeklagte hatte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt, die sich auf angebliche Verfahrensfehler und Sachfragen stützte. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Ausschluss des Angeklagten während der Zeugenvernehmung rechtmäßig war, um die psychische Gesundheit der Zeugin zu schützen. Dies zeigt, dass der gerichtliche Weg in diesem Fall angemessen war, da es keine alternative Lösung gab, die den Schutz der Zeugin und die Rechtsstaatlichkeit gleichermaßen gewährleistet hätte. Angesichts der Schwere und Komplexität des Falles war die Hinzuziehung eines erfahrenen Strafverteidigers ratsam, um die rechtlichen Möglichkeiten vollständig auszuschöpfen.
Ähnliche Fälle Lösung
Zeugin nicht aussagefähig
In einem Fall, in dem eine Zeugin aufgrund eines Traumas oder einer psychischen Erkrankung nicht aussagefähig ist, wäre es sinnvoll, vor einem Gerichtsverfahren eine ärztliche Bescheinigung über den Gesundheitszustand einzuholen. In solchen Fällen kann die Einbindung eines psychologischen Gutachters hilfreich sein, um die Glaubwürdigkeit und die Fähigkeit der Zeugin zur Aussage zu bewerten. Eine außergerichtliche Einigung könnte ebenfalls eine Option sein, um den emotionalen Stress für die Zeugin zu minimieren.
Angeklagter nicht anwesend
Wenn der Angeklagte während der Vernehmung der Zeugin nicht anwesend sein darf, kann dies rechtlich gerechtfertigt sein, um den Schutz der Zeugin zu gewährleisten. Anwälte sollten in solchen Fällen sicherstellen, dass der Angeklagte umfassend über die Aussagen informiert wird und die Möglichkeit hat, über seinen Anwalt Fragen zu stellen. Hier ist der rechtliche Beistand durch einen erfahrenen Anwalt entscheidend, um die Verteidigungsrechte zu wahren.
Zeugin anonymisiert
In Fällen, in denen die Identität der Zeugin zum Schutz ihrer Sicherheit anonymisiert werden muss, sollten Anwälte prüfen, ob dies im Einklang mit den Verteidigungsrechten des Angeklagten steht. Die Konsultation eines spezialisierten Anwalts für Zeugenschutz kann dabei helfen, eine ausgewogene Lösung zu finden, die sowohl die Sicherheit der Zeugin als auch die Fairness des Verfahrens berücksichtigt.
Externe Experten befragt
Wenn externe Experten hinzugezogen werden müssen, um die Aussagekraft oder den psychischen Zustand einer Zeugin zu bewerten, sollte dies frühzeitig im Verfahren geschehen. Eine frühzeitige und umfassende Beweissicherung kann dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu untermauern und den Erfolg des Verfahrens zu sichern. In solchen Fällen kann die Zusammenarbeit mit einem Anwalt, der Erfahrung in der Arbeit mit Sachverständigen hat, von Vorteil sein.
Diebstahl Verjährt – Die wichtigsten Fristen im Überblick 👆FAQ
Was ist § 247 StPO?
§ 247 StPO erlaubt es, den Angeklagten während der Vernehmung eines Zeugen aus dem Sitzungsraum zu entfernen, wenn die Anwesenheit des Angeklagten die Aussage des Zeugen beeinträchtigen könnte.
Wann gilt § 247a StPO?
§ 247a StPO kommt zur Anwendung, wenn die Anwesenheit des Angeklagten die Gesundheit eines Zeugen gefährdet und diese Gefahr nicht durch andere Maßnahmen abgewendet werden kann.
Was bedeutet Art. 6 MRK?
Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) garantiert das Recht auf ein faires Verfahren, einschließlich das Recht des Angeklagten, Zeugen zu befragen.
Wie wird Zeugenschutz gewährt?
Zeugenschutz wird durch Ausschluss der Öffentlichkeit, Entfernung des Angeklagten und gegebenenfalls durch audiovisuelle Vernehmungen gewährt.
Was ist eine audiovisuelle Vernehmung?
Eine audiovisuelle Vernehmung ermöglicht es, Zeugen per Video- oder Audioübertragung zu vernehmen, um sie vor der direkten Konfrontation mit dem Angeklagten zu schützen.
Welche Rechte haben Angeklagte?
Angeklagte haben das Recht auf Verteidigung, auf Befragung von Belastungszeugen und auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 MRK.
Wie schützt man Zeugen psychisch?
Zeugen werden psychisch geschützt durch Ausschluss des Angeklagten aus dem Vernehmungsraum und durch Vertraulichkeit der Vernehmung.
Was ist ein Psychotrauma?
Ein Psychotrauma ist eine schwere psychische Belastung, die durch ein schockierendes Ereignis, wie eine Gewalttat, verursacht wird und lange nachwirken kann.
Wie verhindert man Verfahrensfehler?
Verfahrensfehler werden durch genaue Einhaltung der StPO, sorgfältige Dokumentation und durch rechtzeitige Einwände der Verteidigung vermieden.
Welche Rolle spielt der Verteidiger?
Der Verteidiger schützt die Rechte des Angeklagten, stellt Anträge, führt Befragungen durch und achtet auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften.
Onkel bestreitet Nichte Vorwürfe in Missbrauchsprozess (1 StR 439/00)
Verspätete Revision wegen Postirrtum: Was geschah wirklich? (1 StR 103/00) 👆