Willenserklärung im B2B ist oft nicht so eindeutig, wie man denken mag. Besonders im geschäftlichen E-Mail-Verkehr kann der Eindruck entstehen, dass ein Auftrag bereits bindend ist – obwohl noch keine Unterschrift erfolgt ist. Doch reicht eine E-Mail mit dem Satz „Wir würden gerne buchen“ wirklich für einen verbindlichen Vertrag? Genau das schauen wir uns in diesem Beitrag ganz genau an.
Ausgangslage im geschäftlichen Kontext
Im B2B-Bereich finden Vertragsverhandlungen häufig über mehrere Stationen hinweg statt. In diesem konkreten Fall wandte sich ein großes Unternehmen – eine bekannte Optikerkette – an eine Eventagentur. Der Kontakt durchlief mehrere Ansprechpartner, wobei Details wie Mietpreis, Branding und Eventdaten besprochen wurden. Schließlich schrieb Ansprechpartner C per E-Mail: „Wir würden die Maschine gerne für die im Angebot aufgeführten Konditionen buchen. Wie ist der weitere Prozess?“ Kurz darauf folgte eine Auftragsbestätigung seitens der Agentur mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Unterschrift.
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Verträge sind grundsätzlich formfrei
Nach deutschem Zivilrecht gilt laut § 311 Abs. 1 BGB, dass Verträge durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen. Dabei ist die Schriftform nur in Ausnahmefällen gesetzlich vorgeschrieben, etwa bei Grundstückskäufen (§ 311b BGB) oder Bürgschaften (§ 766 BGB). Für gewöhnliche Mietverträge über Eventmodule besteht diese Formpflicht nicht – das bedeutet: Ein Vertrag kann auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden.
Bindung an das Angebot gemäß § 145 BGB
Wenn eine Partei ein Angebot abgibt, ist sie daran gebunden, solange dieses nicht abgelehnt oder fristgerecht angenommen wurde (§ 146 BGB). Entscheidend ist, ob eine eindeutige Willenserklärung – also ein Angebot – vorliegt, und ob dieses akzeptiert wurde. Im hier geschilderten Fall lässt sich darüber trefflich streiten.
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Indizien für eine Annahme
Auf den ersten Blick klingt die Formulierung wie eine Annahme des Angebots. Auch die nachgelagerte Frage „Wie ist der weitere Prozess?“ spricht für ein echtes Buchungsinteresse. Im B2B-Alltag könnte eine solche Aussage durchaus als Vertragsannahme gewertet werden, sofern zuvor alle relevanten Vertragspunkte geklärt wurden.
Der Verweis auf die Unterschrift relativiert die Annahme
Entscheidend ist jedoch: In der nachfolgenden Kommunikation verwies die Agentur explizit auf die notwendige Unterschrift („nach Ihrer Unterschrift senden wir die Rechnung“). Das bedeutet juristisch, dass beide Parteien stillschweigend davon ausgingen, dass die schriftliche Bestätigung zur Wirksamkeit des Vertrages noch erforderlich sei. Diese Konstellation fällt unter § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB: „Solange die Parteien die Unterzeichnung eines Vertrags beabsichtigen, gilt dieser im Zweifel als nicht geschlossen.“
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Die sogenannte „Schriftformabrede“
Nach § 154 BGB liegt kein bindender Vertrag vor, wenn die Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbaren, dass der Vertrag erst mit Unterschrift wirksam werden soll. Der Zusatz „Bitte senden Sie uns die unterschriebene Variante asap zu“ ist ein klares Indiz dafür, dass der Abschluss noch ausstand.
Ausnahme: „bloße Beurkundung“
Nur wenn klar ist, dass die Unterschrift lediglich formalen Zwecken dient und die Parteien sich bereits inhaltlich geeinigt haben, könnte der Vertrag auch ohne sie gültig sein. Dies setzt jedoch voraus, dass dies aus dem Gesamtverhalten hervorgeht. In dem vorliegenden Fall lässt sich das nicht mit hinreichender Sicherheit belegen.
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Konkludente Annahme durch Verhalten
Wenn ein Auftragnehmer auf Grundlage der E-Mail bereits mit der Leistungserbringung beginnt, könnte daraus ein Vertrag durch konkludentes Handeln entstehen. Beispielsweise, wenn Druckdaten angefordert oder Produktionsprozesse gestartet werden. Solche Umstände fehlen im vorliegenden Fall – es wurde weder geliefert noch mit der Umsetzung begonnen.
Risiko bei zu frühem Handeln
Ein häufiger Fehler in der Praxis: Dienstleister verlassen sich auf mündliche Zusagen oder „buchende“ E-Mails und starten mit der Arbeit, obwohl die Unterschrift fehlt. In solchen Fällen tragen sie das Risiko, später keine Vergütung zu erhalten, wenn sich der Auftraggeber zurückzieht. Genau deshalb ist eine klare Regelung zur Verbindlichkeit essenziell.
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LG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2009 – 23 S 359/08
Das Landgericht Düsseldorf befasste sich mit einem ähnlichen Fall, bei dem ein Kunde eine Buchung per E-Mail bestätigte, dann jedoch nicht zahlte. Das Gericht entschied, dass der Vertrag nicht zustande kam, da in der E-Mail ausdrücklich die Formulierung „nach schriftlicher Bestätigung“ enthalten war. Der Schriftformwunsch war somit vertragsverhindernd.
OLG Koblenz, Urteil vom 19.03.2008 – 5 U 1462/07
Hier entschied das Gericht, dass eine Vertragsannahme auch ohne Unterschrift vorliegen kann, wenn das Verhalten des Vertragspartners keine Zweifel lässt. Maßgeblich war, dass Leistungen bereits erbracht und akzeptiert wurden.
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Kommunikation klar dokumentieren
Verwenden Sie in Angeboten Formulierungen wie „Verbindlich mit Unterschrift“ oder „Dieses Angebot ist freibleibend bis zur schriftlichen Bestätigung“. So verhindern Sie spätere Missverständnisse. Bei telefonischer Buchung sollte das Gespräch schriftlich bestätigt werden.
Unklare Aussagen hinterfragen
Formulierungen wie „wir würden gerne buchen“ oder „wir planen, zu buchen“ sind Absichtserklärungen – keine eindeutigen Annahmen. Fragen Sie daher immer schriftlich nach: „Ist das als verbindliche Auftragserteilung zu verstehen?“
Nicht zu früh handeln
Beginnen Sie erst mit der Leistungserbringung, wenn eine klare Willenserklärung oder Unterschrift vorliegt – besonders im B2B-Bereich, wo Zahlungsverpflichtungen regelmäßig von internen Freigaben abhängen.
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Die Frage, ob eine Willenserklärung im B2B bereits durch eine Buchungs-Mail zustande kommt, hängt stark vom Kontext ab. Auch wenn der Wortlaut wie eine Annahme klingt, ist ein verbindlicher Vertrag oft nicht gegeben, wenn die Parteien – ausdrücklich oder durch ihr Verhalten – noch auf eine Unterschrift als Vertragsbedingung hinweisen. Genau das war hier der Fall. Der Hinweis auf die notwendige Unterschrift, die Bitte um Prüfung der Auftragsbestätigung und das anschließende Verhalten der Optikerkette zeigen deutlich: Die Willenserklärung im B2B war hier nicht abschließend. Für die Praxis heißt das: Klare Absprachen zur Verbindlichkeit und ein Verständnis für § 154 BGB sind entscheidend, um teure Missverständnisse zu vermeiden.
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Gilt eine Buchungs-Mail im B2B automatisch als Vertrag?
Nicht unbedingt. Auch wenn eine E-Mail wie „Wir würden gerne buchen“ nach einer Annahme klingt, kommt ein Vertrag nur zustande, wenn beide Seiten sich in allen Punkten einig sind – und keine Unterschrift als Bedingung formuliert wurde.
Welche Rolle spielt § 154 BGB bei Willenserklärungen?
§ 154 BGB schützt vor vorschnellen Vertragsannahmen. Wenn Parteien vereinbaren, dass der Vertrag erst mit schriftlicher Unterzeichnung wirksam sein soll, gilt er bis dahin als nicht abgeschlossen – selbst wenn bereits viele Details geklärt sind.
Was kann ich tun, um Missverständnisse bei Auftragsannahmen zu vermeiden?
Verwenden Sie klare Formulierungen in Ihren Angeboten, z. B. „Dieses Angebot ist freibleibend bis zur schriftlichen Bestätigung“. Achten Sie im Schriftverkehr auf Hinweise wie „nach Ihrer Unterschrift“ – sie können später entscheidend sein.
Muss ein Vertrag im B2B immer schriftlich geschlossen werden?
Nein, ein Vertrag kann auch mündlich oder durch Verhalten geschlossen werden. Doch wenn eine Partei eine Unterschrift verlangt, ist der Vertrag ohne sie in der Regel nicht bindend.
Was ist, wenn ich bereits mit der Arbeit beginne, bevor der Vertrag unterschrieben ist?
Dann tragen Sie das wirtschaftliche Risiko. Wenn sich der Auftraggeber umentscheidet und keine Willenserklärung im B2B nachweislich vorliegt, haben Sie möglicherweise keinen Anspruch auf Vergütung.
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