Sexueller Missbrauch von Kindern: Eine Stadt in Aufruhr (1 StR 136/00)

Haben Sie sich jemals ungerecht behandelt gefühlt, als ein Gerichtsurteil Ihre Situation nicht vollständig berücksichtigt hat? Viele Menschen stehen vor ähnlichen Herausforderungen, wenn es um die Komplexität von Gerichtsurteilen geht. Ein bemerkenswerter Fall des Bundesgerichtshofs bietet jedoch eine Lösung, die Ihnen helfen könnte, Ihre rechtlichen Fragen besser zu verstehen und anzugehen.

1 StR 136/00 Sexueller Missbrauch von Kindern

Fallübersicht

Konkrete Situation

In diesem Fall ging es darum, dass ein Angeklagter wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 190 Fällen vor Gericht stand. Die Vorwürfe betrafen Handlungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg stattfanden. Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt aufgrund einer hirnorganischen Persönlichkeitsveränderung in seinem Steuerungsvermögen erheblich vermindert. Es wurde festgestellt, dass bei den drei betroffenen Kindern keine dauerhaften psychischen oder physischen Nachwirkungen der Taten verblieben sind.

Kläger (Staatsanwaltschaft): Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt werden soll. Sie legte dar, dass die Taten schwerwiegend seien und dass der Angeklagte in 190 Fällen schuldig sei. Ferner betonte die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte zwar gesundheitliche Einschränkungen habe, dies jedoch die Schwere der Taten nicht mindere.

Beklagter (Angeklagter): Abstreiten der Taten

Der Angeklagte bestritt die ihm vorgeworfenen Taten vehement. Er zeigte sich in der Hauptverhandlung uneinsichtig und ohne Reue, was von der Staatsanwaltschaft als zusätzliche Belastung betrachtet wurde. Der Angeklagte stellte die Geschädigten durch sein hartnäckiges Abstreiten der Taten als unglaubwürdig dar und argumentierte, dass seine gesundheitlichen Probleme seine Handlungsfähigkeit stark beeinträchtigt hätten.

Urteilsergebnis

Das Gericht entschied zugunsten der Staatsanwaltschaft und befand den Angeklagten in 190 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern für schuldig. Das Verfahren bezüglich eines separaten Vorwurfs der Beleidigung wurde eingestellt. Die ursprüngliche Entscheidung des Landgerichts wurde aufgehoben, soweit es die Gesamtstrafe betrifft, und zur erneuten Verhandlung an eine andere zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Der Angeklagte muss die Kosten des Verfahrens tragen, die mit der Einstellung des Beleidigungsfalls verbunden sind.

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1 StR 136/00 Relevante Gesetzesartikel

§ 154 Abs. 2 StPO

Der Paragraf 154 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) erlaubt es, ein Verfahren ganz oder teilweise einzustellen, wenn bei mehreren angeklagten Taten die Straferwartung für eine oder mehrere dieser Taten gering ist. In diesem Fall wurde das Verfahren hinsichtlich der Beleidigung eingestellt, da die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern viel schwerwiegender war. Diese Vorgehensweise dient der Prozessökonomie, was bedeutet, dass Gerichtsressourcen effizient genutzt werden, ohne sich auf weniger bedeutende Anklagepunkte zu konzentrieren.

§ 46 Abs. 2 StGB

Dieser Paragraf des Strafgesetzbuches (StGB) beschreibt die Grundsätze der Strafzumessung. Er besagt, dass das Gericht bei der Strafzumessung das Gewicht der Schuld des Täters sowie die Beweggründe und Ziele, die bei der Tat eine Rolle gespielt haben, berücksichtigen muss. Entscheidender Punkt in diesem Fall war, dass dem Angeklagten sein Verhalten im Prozess – nämlich das Fehlen von Einsicht und Reue – zu Lasten gelegt wurde. Der Bundesgerichtshof erkannte dies als Rechtsfehler an, da das Verteidigungsverhalten grundsätzlich nicht strafverschärfend berücksichtigt werden darf, um das Recht auf Verteidigung nicht zu beeinträchtigen.

§ 21 StGB

Der Paragraf 21 StGB bezieht sich auf die verminderte Schuldfähigkeit. Bei dem Angeklagten wurde eine hirnorganische Persönlichkeitsveränderung festgestellt, die seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigte. Dies führte dazu, dass die Taten des sexuellen Missbrauchs als minder schwere Fälle bewertet wurden. Minder schwere Fälle bedeuten, dass das Strafmaß innerhalb eines geringeren Rahmens festgesetzt wird. Diese Regelung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Angeklagte aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht in vollem Maße für seine Taten verantwortlich gemacht werden kann.

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1 StR 136/00 Urteilsgrundlagen

Grundsätzliche Auslegung

§ 154 Abs. 2 StPO

Der § 154 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) ermöglicht es, Teile eines Verfahrens einzustellen, wenn dies im Interesse der Justiz liegt. Prinzipiell wird dies angewandt, wenn die Fortführung des Verfahrens in diesem Punkt keinen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtergebnis hat. Man könnte sagen, es ist eine Art “prozessuale Effizienzmaßnahme”.

§ 46 Abs. 2 StGB

Nach § 46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) spielt das Verhalten des Täters während des Verfahrens eine Rolle bei der Strafzumessung. Das bedeutet, dass Reue und Einsicht des Täters grundsätzlich strafmildernd wirken können. Dieser Paragraph fordert eine individuelle Betrachtung der Schuld und der Persönlichkeit des Täters.

§ 21 StGB

Gemäß § 21 StGB kann eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen, wenn der Täter aufgrund einer psychischen Störung, wie etwa einer hirnorganischen Persönlichkeitsveränderung, in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. Dies führt häufig zu einer Strafmilderung, da die volle Verantwortlichkeit des Täters infrage gestellt wird.

Ausnahmsweise Auslegung

§ 154 Abs. 2 StPO

Ausnahmsweise kann § 154 Abs. 2 StPO auch bei schwerwiegenden Anklagepunkten zur Anwendung kommen, wenn diese in der Gesamtschau des Verfahrens von untergeordneter Bedeutung sind oder andere zwingende Gründe vorliegen, das Verfahren in diesem Punkt einzustellen. Es ist quasi eine “Notbremse”, um die Justizressourcen zu schonen.

§ 46 Abs. 2 StGB

Eine Ausnahme bei § 46 Abs. 2 StGB könnte vorliegen, wenn das Verhalten des Täters während des Prozesses zur Verfahrensverzögerung führt oder die Opfer zusätzlich belastet. In solchen Fällen könnte das Verhalten des Täters auch zu seinen Lasten gewertet werden, entgegen der üblichen Praxis.

§ 21 StGB

Ausnahmsweise wird § 21 StGB nicht angewandt, wenn die verminderte Schuldfähigkeit des Täters nicht ausreichend belegt ist oder andere gewichtige Gründe gegen eine Strafmilderung sprechen. Dies könnte der Fall sein, wenn die Tat besonders schwerwiegend oder die Gesellschaftsgefährlichkeit des Täters hoch ist.

Angewandte Auslegung

Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof die §§ 154 Abs. 2 StPO und 46 Abs. 2 StGB sowie § 21 StGB weitgehend nach ihrer grundsätzlichen Auslegung angewandt. Das Verfahren wurde teilweise eingestellt, weil der Tatbestand der Beleidigung im Vergleich zu den anderen Vorwürfen von untergeordneter Bedeutung war. Die verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB wurde anerkannt, da der Angeklagte aufgrund einer hirnorganischen Störung nicht voll schuldfähig war. Die Strafzumessung berücksichtigte zwar das Verteidigungsverhalten des Angeklagten, jedoch wurde dies als rechtsfehlerhaft eingestuft, da es zu einer unzulässigen Strafverschärfung geführt haben könnte.

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Sexueller Missbrauch von Kindern Lösungsmethoden

1 StR 136/00 Lösungsmethoden

Im Fall 1 StR 136/00 wurde das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Beleidigung eingestellt, während der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 190 Fällen bestehen blieb. Der rechtliche Fehler in der Strafzumessung führte zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und zur Zurückverweisung an eine andere Strafkammer. In diesem Fall zeigt sich, dass die Revision teilweise erfolgreich war, indem sie zur Überprüfung und Änderung der Gesamtstrafe führte. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass es ratsam ist, in komplexen Strafverfahren einen erfahrenen Strafverteidiger zu beauftragen, um mögliche Fehler im Urteil zu identifizieren und anzufechten. Selbst wenn der Schuldspruch bestehen bleibt, kann eine sorgfältige juristische Überprüfung zu einer milderen Gesamtstrafe führen.

Ähnliche Fälle Lösungsmethoden

Minder schwerer Fall

In einem Fall, in dem der Angeklagte aufgrund einer hirnorganischen Persönlichkeitsveränderung vermindert schuldfähig ist, könnte eine Verteidigungsstrategie darin bestehen, medizinische Gutachten vorzulegen, die die verminderte Steuerungsfähigkeit belegen. In solchen Fällen ist es wichtig, frühzeitig einen Fachanwalt für Strafrecht einzuschalten, um die Verteidigung optimal vorzubereiten und den Tatbestand des minder schweren Falls zu untermauern.

Verminderte Steuerungsfähigkeit

Angenommen, ein Angeklagter leidet unter psychischen Erkrankungen, die seine Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Hier wäre es sinnvoll, eine enge Zusammenarbeit mit einem Psychologen oder Psychiater anzustreben, um die verminderte Steuerungsfähigkeit nachzuweisen. Ein versierter Strafverteidiger kann diese Informationen nutzen, um eine mildere Strafe zu erreichen. Dies ist besonders relevant, wenn keine schwerwiegenden Nachwirkungen bei den Geschädigten festgestellt wurden.

Keine Nachwirkungen bei Geschädigten

Wenn in einem Fall keine langfristigen Nachwirkungen bei den Geschädigten vorliegen, könnte dies einen mildernden Umstand darstellen. Der Angeklagte sollte in diesem Fall darauf achten, dass seine Verteidigung diesen Punkt hervorhebt und gegebenenfalls Zeugen oder Gutachter einsetzt, um die fehlenden Nachwirkungen zu belegen. Hierbei kann ein erfahrener Anwalt entscheidend sein, um diesen Aspekt effektiv in die Verteidigung einzubinden.

Besonders haftempfindlicher Angeklagter

In einem Szenario, in dem der Angeklagte aufgrund eines gesundheitlichen Zustands besonders haftempfindlich ist, sollte dieser Umstand vor Gericht betont werden. Ein medizinisches Gutachten kann hier von Vorteil sein, um die besondere Haftempfindlichkeit zu belegen. Der Anwalt kann diesen Umstand nutzen, um eine Haftverschonung oder eine mildere Strafe zu beantragen. Hierbei ist die Hilfe eines spezialisierten Anwalts von Vorteil, der die medizinischen und rechtlichen Aspekte geschickt miteinander verknüpfen kann.

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FAQ

Was war der Hauptvorwurf?

Der Hauptvorwurf war der sexuelle Missbrauch von Kindern in 190 Fällen.

Welche Gesetze wurden angewendet?

Es wurden insbesondere das Strafgesetzbuch (StGB) und die Strafprozessordnung (StPO) angewendet.

Wie viele Fälle von Missbrauch?

Der Angeklagte wurde in 190 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen.

Welche Strafe wurde verhängt?

Die verhängten Einzelstrafen lagen jeweils bei vier bzw. fünf Monaten Freiheitsstrafe.

Gab es Revisionen?

Ja, der Angeklagte legte Revision ein, die teilweise Erfolg hatte.

Welche Rolle spielte die Persönlichkeit?

Die Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere seine hirnorganische Persönlichkeitsveränderung, wurde strafmildernd berücksichtigt.

Wie beeinflusste das Verhalten des Angeklagten?

Das uneinsichtige Verhalten des Angeklagten wurde als straferschwerend gewertet, was jedoch als Rechtsfehler erkannt wurde.

Wurde der Angeklagte freigesprochen?

Nein, der Angeklagte wurde nicht freigesprochen, jedoch wurde das Verfahren in einem Fall eingestellt.

War der Angeklagte vorbestraft?

Der Angeklagte lebte bis dahin im Wesentlichen straffrei.

Welche Gerichtskosten fielen an?

Die Kosten des eingestellten Verfahrensfalls und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fielen der Staatskasse zur Last.

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