Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob eine gerichtlich angeordnete psychiatrische Unterbringung immer gerechtfertigt ist? Viele Menschen befinden sich in einer ähnlichen Situation und wissen nicht, wie sie sich rechtlich wehren können. Zum Glück bietet ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 2000 wertvolle Einsichten, die Ihnen helfen könnten, Ihren Fall besser zu verstehen und zu lösen.
1 StR 56/00 Psychiatrische Unterbringung
Fallübersicht
Konkrete Situation
In einem Fall vor dem Bundesgerichtshof ging es um die Unterbringung eines Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der Angeklagte litt an einer chronifizierenden paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, die zu einem ausgeprägten Wahnsystem geführt hatte. Er war überzeugt, dass in seinem Wohnhaus schwere Verbrechen wie Raub und Mord an der Tagesordnung seien und seine Tochter dort festgehalten werde. Diese Überzeugungen führten zu einem Angriff auf eine andere Person, bei dem es zu Verletzungen kam.
Kläger (Angeklagter) Anspruch
Der Angeklagte, der in Revision ging, war der Ansicht, dass die Entscheidung des Landgerichts Landshut, ihn in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, nicht gerechtfertigt war. Er argumentierte, dass die Prognose seiner Gefährlichkeit, die zur Unterbringung führte, fehlerhaft sei.
Beklagter (Landgericht) Anspruch
Das Landgericht Landshut vertrat die Position, dass die Unterbringung des Angeklagten aufgrund seines fortbestehenden Wahnsystems und der daraus resultierenden Gefährlichkeit notwendig sei. Es stützte seine Entscheidung auf die Einschätzung einer psychiatrischen Sachverständigen, die die Gefahr weiterer Straftaten als hoch einschätzte.
Urteilergebnis
Das Gericht hob das Urteil des Landgerichts teilweise auf. Es wurde entschieden, dass die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung erneut geprüft werden muss. Das Landgericht hatte bei seiner Entscheidung nicht ausreichend die Möglichkeit einer Betreuung außerhalb einer stationären Unterbringung in Betracht gezogen. Die Revision des Angeklagten hatte somit teilweise Erfolg, und der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nächtlicher Einbruch mit schockierenden Absichten (1 StR 60/00) 👆1 StR 56/00 Relevante Gesetzesartikel
§ 63 StGB
Der § 63 des Strafgesetzbuches (StGB) ist von zentraler Bedeutung, wenn es um die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geht. Diese Maßnahme wird dann in Betracht gezogen, wenn jemand aufgrund einer psychischen Störung (zum Beispiel Schizophrenie) eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Entscheidend ist hier die Gefährlichkeitsprognose, also die Einschätzung, ob der Betroffene in der Zukunft erhebliche Straftaten begehen könnte. Im vorliegenden Fall wurde diese Gefährlichkeit durch das fortbestehende Wahnsystem des Beschuldigten als gegeben angesehen. Ein Wahnsystem ist eine fest verwurzelte, falsche Überzeugung, die die Realität verzerrt wahrnimmt und interpretiert.
§ 67b Abs. 1 StGB
Der § 67b Abs. 1 StGB behandelt die Möglichkeit, die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen. Hierbei wird geprüft, ob besondere Umstände vorliegen, die eine Aussetzung rechtfertigen könnten. Dazu gehört unter anderem die Bereitschaft des Beschuldigten, an einer Therapie teilzunehmen und notwendige Medikamente einzunehmen. Im besprochenen Fall wurde die Aussetzung zunächst abgelehnt, weil Zweifel an der Therapiemotivation des Beschuldigten bestanden. Es zeigt sich jedoch, dass eine bereits bestehende Unterbringung in einer anderen Einrichtung ein besonderer Umstand sein kann, der die Aussetzung der Maßregel rechtfertigen könnte. Es wird auch diskutiert, ob der Beschuldigte mit gerichtlicher Genehmigung in einer betreuten Wohnform untergebracht werden kann, um die regelmäßige Einnahme der Medikamente sicherzustellen.
Ungewöhnliches Verhör im Gerichtssaal (1 StR 212/00) 👆1 StR 56/00 Entscheidungsgrundlagen
Grundsätzliche Auslegung
§ 63 StGB
Bei der grundsätzlichen Auslegung von § 63 StGB ist zu beachten, dass die Gefährlichkeitsprognose eine umfassende Bewertung der Persönlichkeit und der bisherigen Lebensführung des Beschuldigten erfordert. Hierbei sind insbesondere frühere Straftaten von Bedeutung, um die Wahrscheinlichkeit zukünftiger gefährlicher Handlungen einzuschätzen. In der Regel wird eine detaillierte Betrachtung der gesamten Umstände verlangt, um eine fundierte Entscheidung über die Notwendigkeit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu treffen.
§ 67b Abs. 1 StGB
Die grundsätzliche Auslegung von § 67b Abs. 1 StGB sieht vor, dass eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Eine wesentliche Voraussetzung ist die Motivation des Beschuldigten zur Therapie. Fehlt es an dieser Motivation, so wird die Möglichkeit zur Aussetzung in der Regel nicht gewährt. Hierbei wird auf die Bereitschaft des Beschuldigten abgestellt, sich auf eine Behandlung einzulassen und die notwendigen therapeutischen Maßnahmen zu akzeptieren.
Ausnahmsweise Auslegung
§ 63 StGB
Bei der ausnahmsweisen Auslegung von § 63 StGB kann es vorkommen, dass die Gefährlichkeitsprognose auch ohne Berücksichtigung aller früheren Straftaten erfolgt, wenn die gegenwärtige Anlasstat bereits eine erhebliche Gefährdung erkennen lässt. In solchen Fällen kann eine spezifische Straftat als ausreichender Beleg für die zukünftige Gefährlichkeit angesehen werden, insbesondere wenn sie im Zusammenhang mit einer fortbestehenden psychischen Erkrankung steht.
§ 67b Abs. 1 StGB
Die ausnahmsweise Auslegung von § 67b Abs. 1 StGB kann eine Aussetzung der Unterbringung auch dann rechtfertigen, wenn der Beschuldigte in einer anderen Form der Betreuung gesichert ist, die eine vergleichbare Wirkung wie eine stationäre Behandlung hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Beschuldigte unter gerichtlicher Aufsicht in einer betreuten Wohneinrichtung lebt, wo die regelmäßige Einnahme von Medikamenten sichergestellt wird.
Angewandte Auslegung
In dem vorliegenden Fall wurde § 63 StGB nach der ausnahmsweisen Auslegung angewandt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Anlasstat als ausreichender Beleg für die zukünftige Gefährlichkeit des Beschuldigten angesehen wurde, obwohl frühere erhebliche Straftaten nicht vorlagen. Die fortbestehende Schizophrenie mit ausgeprägtem Wahnsystem des Beschuldigten führte zur Annahme einer zukünftigen Gefährdung. Hinsichtlich § 67b Abs. 1 StGB wurde jedoch die grundsätzliche Auslegung angewandt, da die fehlende Therapiemotivation des Beschuldigten eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung ausschloss.
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1 StR 56/00 Lösungsmethoden
In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Landgerichts teilweise aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Der Angeklagte hatte mit seiner Revision teilweise Erfolg, was zeigt, dass der rechtliche Weg in diesem speziellen Fall eine geeignete Methode war, um die Interessen des Angeklagten zu verteidigen. Da es sich um eine komplexe rechtliche Materie handelt, wäre die Einschaltung eines erfahrenen Strafverteidigers ratsam gewesen. Ein Laie hätte wahrscheinlich Schwierigkeiten gehabt, die rechtlichen Feinheiten zu erkennen und die teilweise Aufhebung des Urteils zu erreichen.
Ähnliche Fälle Lösungsmethoden
Beklagter verweigert Medikamente
In Situationen, in denen der Beklagte die Einnahme von Medikamenten verweigert, könnte eine außergerichtliche Einigung mit therapeutischer Beratung sinnvoll sein. Wenn dies nicht möglich ist, sollte ein gerichtliches Verfahren in Betracht gezogen werden, um eine klare Anordnung zur Medikation zu erwirken. Der Weg über das Gericht kann hier als letzte Instanz wirken, um die notwendige Behandlung sicherzustellen.
Betreuer übernimmt Verantwortung
Wenn ein Betreuer die Verantwortung übernimmt, kann dies oft ohne gerichtliche Intervention gelöst werden. Der Betreuer kann in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachkräften und eventuell unter Einbeziehung des Vormundschaftsgerichts eine geeignete Lösung finden. Einvernehmliche Lösungen stehen hier im Vordergrund, um die Autonomie des Betreuten zu respektieren.
Therapieerfolg unklar
Bei unklarem Therapieerfolg ist es wichtig, zunächst alle medizinischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Sollte dies nicht zu einer Verbesserung führen, könnte ein gerichtliches Verfahren zur Überprüfung und eventuellen Anpassung der Therapie notwendig sein. In solchen Fällen ist eine rechtliche Beratung empfehlenswert, um die Erfolgsaussichten eines Verfahrens abzuwägen.
Stationäre Unterbringung notwendig
Ist eine stationäre Unterbringung notwendig, aber umstritten, sollte zunächst versucht werden, durch ein Mediationsverfahren zwischen den beteiligten Parteien eine Lösung zu finden. Wenn dies nicht erfolgreich ist, kann ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der Notwendigkeit der Unterbringung angestrebt werden. Hierbei ist die Unterstützung durch einen spezialisierten Anwalt von Vorteil, um die rechtlichen Anforderungen und Beweise korrekt vorzulegen.
Stieftochter im Zentrum eines Missbrauchsskandals (1 StR 65/00) 👆FAQ
Was ist § 63 StGB?
§ 63 StGB regelt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn eine Person eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit begangen hat und eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht.
Wann wird Unterbringung geprüft?
Die Unterbringung wird geprüft, wenn eine Person aufgrund einer psychischen Störung als gefährlich für die Allgemeinheit gilt und Wiederholungsgefahr besteht.
Wer entscheidet Unterbringung?
Die Entscheidung über die Unterbringung trifft das zuständige Gericht, oft basierend auf einem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen.
Was gilt als gefährlich?
Als gefährlich gelten Personen, bei denen aufgrund ihrer psychischen Störung erhebliche Straftaten zu erwarten sind, die die Sicherheit der Allgemeinheit gefährden.
Wie wirkt sich Wahn aus?
Ein Wahn kann das Verhalten einer Person derart beeinflussen, dass sie unter Handlungsdruck steht und dadurch Straftaten begeht, die als gefährlich eingestuft werden.
Wann wird Bewährung geprüft?
Die Möglichkeit einer Bewährung wird geprüft, wenn die Aussicht besteht, dass die Unterbringung durch geeignete Maßnahmen, wie Therapie und Betreuung, ersetzt werden kann.
Was ist § 67b StGB?
§ 67b StGB ermöglicht die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung, wenn besondere Umstände vorliegen und kein Therapieerfolg ohne stationäre Unterbringung erwartet werden kann.
Was tun bei Medikamentenverweigerung?
Bei Medikamentenverweigerung wird geprüft, ob andere Maßnahmen, wie eine betreute Wohnform, die regelmäßige Einnahme sicherstellen können, eventuell mit gerichtlicher Genehmigung.
Wie wird Therapieerfolg gemessen?
Der Therapieerfolg wird anhand der Besserung der psychischen Störung und der Reduzierung der Gefahr künftiger Straftaten bewertet. Wichtig sind Gutachten und Berichte des betreuenden Personals.
Was ist betreutes Wohnen?
Betreutes Wohnen bietet eine betreute Lebensform, in der Menschen mit besonderen Bedürfnissen Unterstützung im Alltag erhalten, einschließlich der Sicherstellung der Medikamenteneinnahme.
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