Jugendlicher Dieb soll Geld an Wohltätigkeitsorganisation zahlen (1 StR 619/99)

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob es gerecht ist, eine Geldstrafe direkt an den Staat zu zahlen, wenn Sie wegen eines geringfügigen Delikts verurteilt wurden? Viele Menschen stehen vor diesem Dilemma, doch es gibt ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs, das in solchen Fällen eine Lösung bietet. Wenn Sie in einer ähnlichen Situation sind, kann Ihnen dieser Fall helfen, die bestmögliche Lösung zu finden – lesen Sie weiter, um mehr zu erfahren.

1 StR 619/99 Diebstahl und Geldstrafe

Fallübersicht

Konkrete Situation

In diesem Fall wurde die Angeklagte U. wegen Diebstahls verurteilt. Das Landgericht Ravensburg stellte fest, dass die Angeklagte eine strafbare Handlung begangen hatte. Die ursprüngliche Entscheidung sah vor, dass die Angeklagte eine Geldbuße in Höhe von 440,00 DM an die Staatskasse zahlen sollte. Allerdings wurde diese Entscheidung in der Revision teilweise geändert.

Kläger (Staatsanwaltschaft)

Die Klägerseite, vertreten durch die Staatsanwaltschaft, argumentierte, dass die Angeklagte für den Diebstahl angemessen bestraft werden sollte. Sie forderte, dass die Geldstrafe, die ursprünglich an die Staatskasse gezahlt werden sollte, bestehen bleibt, um die rechtlichen Konsequenzen der begangenen Tat zu verdeutlichen.

Beklagte (Angeklagte)

Die Angeklagte U. bestritt die Höhe und die Bestimmung des Geldbetrags, der an die Staatskasse gezahlt werden sollte. Sie war der Meinung, dass die Strafe in ihrer Form pädagogisch nicht sinnvoll sei und legte Revision gegen das Urteil ein. Ihre Verteidigung betonte, dass eine Zahlung an eine gemeinnützige Organisation nicht nur ihrem Verständnis nach gerechter wäre, sondern auch den gesetzlichen Bestimmungen mehr entsprechen würde.

Urteilsergebnis

Die Revision der Angeklagten hatte teilweise Erfolg. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die ursprüngliche Auflage, die Geldbuße an die Staatskasse zu zahlen, nicht gesetzeskonform war. Stattdessen wurde festgelegt, dass die Angeklagte den festgesetzten Geldbetrag an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen muss, die von der Jugendkammer bestimmt werden soll. Die weitergehende Revision der Angeklagten wurde jedoch verworfen, und sie trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

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1 StR 619/99 Relevante Rechtsvorschriften

§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht vor, dass bestimmte Sanktionen gegen Jugendliche und Heranwachsende verhängt werden können, die eine Straftat begangen haben. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG legt fest, unter welchen Bedingungen eine Geldbuße verhängt werden kann. Diese Regelung stellt sicher, dass das Jugendstrafrecht auf erzieherische Maßnahmen abzielt, anstatt lediglich zu bestrafen.

§ 15 JGG

In § 15 JGG wird die Möglichkeit beschrieben, Auflagen zu erteilen, die den Zweck haben, den Jugendlichen oder Heranwachsenden zu erziehen und ihm die Folgen seines Handelns aufzuzeigen. Eine dieser Auflagen kann die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Organisation sein. Dies dient dazu, dem Verurteilten die soziale Verantwortung und die Notwendigkeit des Ausgleichs für das begangene Unrecht zu verdeutlichen.

§ 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB

Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt allgemeine strafrechtliche Sanktionen und in § 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB die Möglichkeit, Geldbeträge an den Staat zu zahlen. Diese Regelung unterscheidet sich jedoch vom JGG, da im Jugendstrafrecht der Staat nicht Empfänger solcher Zahlungen sein soll. Der Unterschied liegt in den erzieherischen Zielen des Jugendstrafrechts, die darauf abzielen, Verständnis und Verantwortungsbewusstsein zu fördern.

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1 StR 619/99 Entscheidungsmaßstäbe

Grundsätzliche Auslegung

§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG

Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG (Jugendgerichtsgesetz) wird bei Jugendlichen und Heranwachsenden, die eine Straftat begangen haben, das Jugendgerichtsgesetz angewendet. Dies bedeutet, dass die Sanktionen auf erzieherische Maßnahmen ausgerichtet sind. Im Prinzip steht hier die Resozialisierung im Vordergrund, was durch erzieherische Auflagen wie die Zahlung an gemeinnützige Organisationen unterstützt wird.

§ 15 JGG

§ 15 JGG sieht vor, dass bei der Verurteilung von Jugendlichen eine Geldauflage (also eine finanzielle Strafe) zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung erhoben werden kann. Diese Regelung dient dazu, die Jugendlichen dazu zu bringen, über ihr Handeln nachzudenken, indem sie einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten.

§ 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB

Der § 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB (Strafgesetzbuch) erlaubt es, dass Geldauflagen auch an den Staat gehen können. Dies ist jedoch bei Jugendlichen nicht der Fall, weil die erzieherische Komponente hier stärker gewichtet wird.

Ausnahmsweise Auslegung

§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG

In Ausnahmefällen kann von der grundsätzlichen Auslegung abgewichen werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Das Jugendgericht hat hier eine gewisse Flexibilität, um auf individuelle Fälle angepasst zu reagieren, wobei der pädagogische Effekt stets im Vordergrund bleiben sollte.

§ 15 JGG

Auch hier kann in Ausnahmefällen eine andere Art der Auflage bestimmt werden, wenn dies dem erzieherischen Ziel besser dient. Allerdings muss dies gut begründet und dokumentiert werden.

§ 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB

Eine Anwendung dieser Regelung auf Jugendliche ist nicht vorgesehen, es sei denn, es gibt einen spezifischen Grund, der dies rechtfertigt, was jedoch in der Praxis selten der Fall ist.

Angenommene Auslegung

Im vorliegenden Fall wurde die grundsätzliche Auslegung der §§ 105 Abs. 1 Nr. 1 und 15 JGG angewendet. Die Entscheidung des Gerichts, die Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Organisation zu verhängen, basiert auf dem erzieherischen Ansatz des Jugendgerichtsgesetzes. Dies steht im Einklang mit dem Ziel, die Resozialisierung der Angeklagten zu fördern, indem sie erkennt, dass ihre Handlung eine Konsequenz für die Gesellschaft hat. Die Auslegung des § 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB wurde nicht herangezogen, da dies den erzieherischen Zielen für Jugendliche nicht entspricht.

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Diebstahl Geldstrafe Lösung

1 StR 619/99 Lösung

Im Fall 1 StR 619/99 wurde die Angeklagte zunächst dazu verurteilt, eine Geldbuße an die Staatskasse zu zahlen. Diese Entscheidung wurde jedoch im Revisionsverfahren dahingehend geändert, dass die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung zu leisten ist. Der ursprüngliche Weg über die Staatskasse war nicht zulässig, da das Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorschreibt, dass die Zahlung einer gemeinnützigen Organisation zugutekommen muss. Für die Angeklagte war der Gang durch das Revisionsverfahren der richtige Weg, um das Urteil zu korrigieren. In ähnlichen Fällen ist es ratsam, einen erfahrenen Strafverteidiger hinzuzuziehen, um die Erfolgsaussichten einer Revision gründlich prüfen zu lassen. Ein selbstständiges Vorgehen könnte riskant sein, insbesondere wenn es um die korrekte Anwendung spezieller gesetzlicher Regelungen geht.

Ähnliche Fälle Lösung

Jugendlicher zahlt an Schule

Wenn ein Jugendlicher wegen Diebstahls verurteilt wird und die Zahlung einer Geldbuße an eine Schule anstelle der Staatskasse leisten soll, ist eine gerichtliche Überprüfung oft nicht nötig. Eine direkte Absprache mit der Schule und möglicherweise eine Wiedergutmachung durch gemeinnützige Arbeit könnte ausreichen und zeitsparender sein.

Erwachsener zahlt an Verein

Ein erwachsener Angeklagter, der eine Geldstrafe an einen Verein zahlen soll, könnte in Betracht ziehen, ob die Verurteilung rechtmäßig ist. Ist die Entscheidung fraglich, wäre eine rechtliche Beratung sinnvoll, um die Chancen einer erfolgreichen Anfechtung zu erkunden. In klaren Fällen ist eine direkte Zahlung und die Vermeidung von Gerichtsverfahren meist kostengünstiger.

Wiederholter Diebstahl

Bei einem wiederholten Diebstahl, bei dem der Angeklagte erneut zu einer Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung verurteilt wird, ist es ratsam, sich rechtlichen Beistand zu suchen. Wiederholungstäter haben oft mit strengeren Strafen zu rechnen, und eine professionelle Verteidigung kann helfen, die Sanktionen zu mildern.

Geringe Schadenshöhe

Bei einer geringen Schadenshöhe könnte es sinnvoll sein, außergerichtlich eine Einigung mit dem Geschädigten zu suchen, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. In vielen Fällen kann eine Entschuldigung und eine freiwillige Zahlung oder Wiedergutmachungsleistung direkt an den Betroffenen den Konflikt schneller und kostengünstiger lösen.

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FAQ

Was ist Diebstahl?

Diebstahl ist das unerlaubte Wegnehmen einer fremden beweglichen Sache mit der Absicht, sich diese rechtswidrig zuzueignen.

Wie hoch ist die Geldstrafe?

Die Höhe der Geldstrafe variiert je nach Fall und Schwere des Vergehens. Im besprochenen Fall betrug sie 440,00 DM.

Wer entscheidet den Empfänger?

Der Empfänger der Geldstrafe wird vom Tatrichter bestimmt, idealerweise nach Anhörung der verurteilten Person.

Was ist das JGG?

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) regelt die Verfolgung und Bestrafung von Jugendlichen und Heranwachsenden in Deutschland.

Warum eine gemeinnützige Organisation?

Eine Zahlung an eine gemeinnützige Organisation soll erzieherische Zwecke erfüllen und die Akzeptanz der Strafe erhöhen.

Was passiert bei Nichtzahlung?

Bei Nichtzahlung kann die Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden, abhängig von den Umständen des Falls.

Wie wird die Geldstrafe berechnet?

Die Berechnung basiert auf der Schwere des Vergehens und der finanziellen Situation der verurteilten Person.

Wer trägt die Kosten?

Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Beschwerdeführerin, sofern die Revision erfolglos ist.

Wie erfolgt die Anhörung?

Die Anhörung kann mündlich oder schriftlich erfolgen, wobei die Meinungen aller Beteiligten berücksichtigt werden.

Gibt es eine Berufung?

Eine Berufung ist möglich, jedoch entscheidet das Gericht über deren Zulässigkeit und Erfolgsaussichten.

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