Viele Unternehmen sehen sich im internationalen Handel mit komplexen rechtlichen Konflikten konfrontiert, insbesondere bei der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche. Möchten Sie erfahren, wie deutsche Gerichte in solchen Fällen entscheiden? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs bietet spannende Einblicke.
I ZB 78/24 Situation

Sachverhalt
Die Antragstellerin, ein deutsches Unternehmen, und die Antragsgegnerin, ein brasilianisches Unternehmen, waren von 1992 bis 2008 vertraglich verbunden. Beide Unternehmen produzieren Silikonbrustimplantate, die in der Chirurgie Verwendung finden. Nach Beendigung der Geschäftsbeziehung traten sie in Konkurrenz zueinander. Im Jahr 2019 leitete die Antragsgegnerin ein Schiedsverfahren wegen des Vorwurfs des Diebstahls von Geschäftsgeheimnissen in Brasilien ein.
Das Schiedsgericht in Rio de Janeiro stellte fest, dass zwei Geschäftsgeheimnisse, die als mechanische Werkzeuge bei der Implantatherstellung dienen, verletzt wurden. Diese Werkzeuge sind entscheidend für den Beschichtungsprozess eines speziellen Implantattyps. Die mündliche Verhandlung fand im Mai 2023 in Paris statt. Experten und Zeugen äußerten sich zum Wert der Geschäftsgeheimnisse und zur Schadensberechnung.
Urteilsergebnis
Im Endschiedsspruch vom 31. Dezember 2023 wurde die Antragstellerin unter anderem zur Zahlung von 17.719.394 € nebst Zinsen verurteilt. Weitere Zinsen bis Ende 2023 wurden auf 4.102.943 € beziffert. Zudem wurde ein fortlaufender Schadensersatz von 33,95 € pro verkaufter Einheit festgelegt. Des Weiteren musste die Antragstellerin alle rechtsverletzenden Produkte zurückrufen und alle relevanten Dokumente an die Antragsgegnerin übergeben.
Der Bundesgerichtshof lehnte den Antrag der Antragstellerin ab, die Zwangsvollstreckung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2024 einstweilen einzustellen. Die Begründung des Gerichts lag in der fehlenden Notwendigkeit einer solchen Maßnahme.
I ZB 60/24 Erinnerung gegen Kostenansatz abgewiesen 👆Relevante Rechtsnormen
Gesetzesnormen
Im vorliegenden Fall spielt das deutsche Recht eine zentrale Rolle, da die Schiedsvereinbarung die Anwendung deutschen Rechts vorsieht. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Nach dem deutschen Recht ist die Vollstreckung solcher Schiedssprüche in § 1061 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Dieses Gesetz sieht vor, dass ein Schiedsspruch, der im Ausland ergangen ist, in Deutschland vollstreckbar erklärt werden kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Bedingungen folgen im Wesentlichen dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958, dem Deutschland beigetreten ist.
Ein weiterer wichtiger rechtlicher Bezugspunkt ist das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG), das im Fall der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen Anwendung findet. Dieses Gesetz schützt geheime Unternehmensinformationen, die nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich sind und bei denen ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Laut § 2 GeschGehG müssen Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreifen, um ihre Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Eine Verletzung kann Schadensersatzansprüche gemäß § 9 GeschGehG nach sich ziehen.
Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung
Die Zivilprozessordnung (ZPO) stellt spezifische Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung dar. Gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO muss der Schiedsspruch rechtskräftig sein oder nach den Gesetzen des Staates, in dem er ergangen ist, vollstreckungsfähig sein. Darüber hinaus dürfen keine Gründe gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO vorliegen, die eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigen würden, wie beispielsweise ein Verstoß gegen den ordre public (öffentliche Ordnung) oder Mängel im Schiedsverfahren.
Geschäftsgeheimnisgesetz und Schadensersatz
Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) bildet die Grundlage für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Es definiert Geschäftsgeheimnisse als Informationen, die geheim sind, wirtschaftlichen Wert haben und Gegenstand von Geheimhaltungsmaßnahmen sind. Wird ein solches Geheimnis widerrechtlich erlangt, verwendet oder offengelegt, kann der Verletzte Schadensersatz verlangen. § 9 GeschGehG regelt die Berechnung des Schadensersatzes. Hierbei kann der entgangene Gewinn oder ein Lizenzanalogieanspruch als Maßstab dienen, um den Schaden zu beziffern.
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Herausgabe von Materialien, die Geschäftsgeheimnisse enthalten. Diese Verpflichtung zur Rückgabe ist oft Teil der Wiedergutmachung und Wiederherstellung der rechtlichen Situation des Geschädigten. Die Maßnahme soll sicherstellen, dass die rechtswidrig erlangten Informationen nicht weiter genutzt werden können.
Diese rechtlichen Grundlagen sind entscheidend für das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Bundesgerichtshof in dem Fall zu entscheiden hatte. Sie bieten die Basis für die Beurteilung, ob die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gerechtfertigt ist oder nicht.
I ZB 48/24 Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens 👆I ZB 78/24 Entscheidungsgrundlage
Anwendung
Grundsatzinterpretation
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs basiert auf den Grundsätzen der Vollstreckbarerklärung gemäß der New Yorker Konvention von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Diese Konvention legt fest, dass ein Schiedsspruch in einem Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt werden kann, wenn er nicht im Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates steht. In Deutschland wird dies durch die Vorschriften der §§ 1061 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) umgesetzt. Die Vollstreckbarerklärung kann nur dann verweigert werden, wenn bestimmte Verweigerungsgründe vorliegen, wie etwa die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung oder ein Verstoß gegen den ordre public (öffentliche Ordnung).
Ausnahmeinterpretation
Im vorliegenden Fall wurde die Anwendung des ordre public-Prinzips besonders hervorgehoben. Der BGH musste prüfen, ob die Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen die fundamentalen Prinzipien des deutschen Rechts verstoßen würde. Hierbei wurde analysiert, ob die Antragsgegnerin durch das Schiedsverfahren in ihren Rechten erheblich benachteiligt wurde. Ein solcher Ausnahmefall könnte vorliegen, wenn das Verfahren gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen hätte. Dies wäre der Fall, wenn der Antragsgegnerin eine wesentliche rechtliche Gehörmöglichkeit verwehrt worden wäre. Der BGH stellte jedoch fest, dass die Regeln des fairen Verfahrens eingehalten wurden und somit keine Verweigerungsgründe vorlagen.
Urteilsbegründung
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht gegen den deutschen ordre public verstößt. Die Antragsgegnerin hatte argumentiert, dass die Schiedsabrede, die Anwendung deutschen Rechts bestimmt, im Schiedsverfahren nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden sei. Der BGH verwarf dieses Argument, da die Antragsgegnerin während des Verfahrens ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Einwände vorzubringen, und das Schiedsgericht die relevanten rechtlichen Aspekte angemessen geprüft hatte.
Ferner betonte das Gericht, dass das Schiedsverfahren in Brasilien unter Einhaltung der vertraglichen Schiedsvereinbarungen und der verfahrensrechtlichen Standards ablief. Der Endschiedsspruch beruhe auf einer sorgfältigen Abwägung der vorgelegten Beweise und einer ausführlichen mündlichen Verhandlung, die in Paris stattfand. Der BGH stellte klar, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstoße.
Letztlich wies der BGH darauf hin, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ein legitimes Interesse sei, das sowohl im Schiedsverfahren als auch im deutschen Recht hohe Priorität genieße. Damit wurde der Antrag der Antragstellerin, die Vollstreckung des Schiedsspruchs einzustellen, abgelehnt. Das Urteil stärkt die Position der Schiedsinstitutionen und betont die Bedeutung der Einhaltung internationaler Verpflichtungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit.
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I ZB 60/24 Erinnerung gegen Kostenansatz abgewiesen
I ZR 197/22 Werbung für Desinfektionsschaum verboten 👆