I ZB 48/24 Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens

Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens zu klären, wenn vertragliche Vereinbarungen strittig sind. Möchten Sie wissen, wie Gerichte in solchen Fällen urteilen? Entdecken Sie anhand eines repräsentativen Urteils des Bundesgerichtshofs mögliche Lösungen!

I ZB 48/24 Situation

Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens

Sachverhalt

Die Antragstellerin, ein deutsches Unternehmen, verpflichtete sich im September 2020 durch einen VOB-Vertrag (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen), für ein Solarkraftwerk in den Niederlanden verschiedene Werkleistungen zu erbringen. Darunter fiel auch das Rammen von Fertigfundamenten aus Beton. Im Vertrag wurden Regelungen zu Vertragsstrafen bei Fristüberschreitungen festgelegt, wobei die Vertragsstrafe auf 10 % der Netto-Auftragssumme begrenzt ist. Das Unternehmen reichte eine Schiedsklage ein, um Werklohnansprüche in Höhe von 3.206.273,97 € geltend zu machen, während die Antragsgegnerin diese Ansprüche zurückwies und Gegenansprüche erhob.

Urteilsergebnis

Der Bundesgerichtshof (oberstes deutsches Gericht für Zivil- und Strafrecht) wies die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, die die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens feststellen lassen wollte, auf deren Kosten zurück. Die Schiedsvereinbarung blieb unabhängig von der Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen bestehen, wodurch das Schiedsverfahren fortgeführt werden konnte.

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Relevante Rechtsnormen

ZPO § 1031

Der § 1031 der Zivilprozessordnung (ZPO) regelt die formellen Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung. Eine Schiedsvereinbarung ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, die besagt, dass etwaige Streitigkeiten nicht vor einem staatlichen Gericht, sondern vor einem Schiedsgericht (eine private Instanz zur Streitbeilegung) verhandelt werden. Diese Regelung ist wichtig, um sicherzustellen, dass beide Parteien klar und eindeutig zustimmen, auf den ordentlichen Rechtsweg zu verzichten. Die Schiedsvereinbarung muss schriftlich festgehalten werden, kann aber auch durch andere Formen der Dokumentation, wie E-Mails oder andere elektronische Kommunikationsmittel, erfolgen, sofern der Inhalt dauerhaft wiedergegeben werden kann.

Formvoraussetzungen

Die Formvoraussetzungen nach § 1031 ZPO sind essenziell für die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung. Gemäß § 1031 Abs. 1 ZPO muss die Vereinbarung schriftlich erfolgen. Schriftform bedeutet hier, dass beide Parteien ihre Unterschrift unter die Vereinbarung setzen müssen, was auch elektronisch geschehen kann, sofern die elektronische Form die gleichen Informationen bietet wie ein herkömmliches Dokument. Ein Verstoß gegen diese Formvoraussetzungen kann dazu führen, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam ist. Eine unwirksame Schiedsvereinbarung hat zur Folge, dass die Parteien nicht verpflichtet sind, den Schiedsweg zu beschreiten und somit die Möglichkeit haben, ein staatliches Gericht anzurufen.

Präklusion

Ein weiterer Aspekt, der mit § 1031 ZPO zusammenhängt, ist die Frage der Präklusion (Ausschluss der Geltendmachung eines Rechts). Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Erhebung einer Schiedsklage nicht automatisch dazu führt, dass der Schiedskläger darauf verzichtet, die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens aus anderen Gründen als einem Formmangel geltend zu machen. Dies bedeutet, dass eine Partei, die zunächst ein Schiedsverfahren angestrengt hat, später vor einem staatlichen Gericht die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts geltend machen kann, sofern andere Mängel vorliegen.

ZPO § 1032

Der § 1032 ZPO befasst sich mit der gerichtlichen Überprüfung der Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens. Nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann eine Partei jederzeit vor Beginn des Schiedsverfahrens bei einem staatlichen Gericht beantragen, dass die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens festgestellt wird. Diese Möglichkeit dient dazu, im Vorfeld Klarheit über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu schaffen.

Verfahren zur Feststellung der Unzulässigkeit

Wenn eine Partei Zweifel an der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts hat, bietet § 1032 ZPO die Möglichkeit, dass ein staatliches Gericht die Frage der Zulässigkeit klärt. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung angezweifelt wird oder andere rechtliche Hindernisse bestehen. Ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit kann gestellt werden, bevor das Schiedsgericht eine Entscheidung zur Zulässigkeit getroffen hat. Dies verhindert, dass sich die Parteien in einem langwierigen Schiedsverfahren befinden, dessen Ergebnis möglicherweise nicht anerkannt wird.

Rechtsmittel

Gegen Entscheidungen, die im Rahmen des § 1032 ZPO getroffen werden, sind Rechtsmittel möglich. Dies bietet den Parteien die Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, wenn sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind. Der Rechtsweg sieht vor, dass solche Entscheidungen in der Regel durch die nächsthöhere Instanz überprüft werden können, um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu sichern und mögliche Fehler zu korrigieren.

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I ZB 48/24 Entscheidungsgrundlage

Anwendung

Grundsatzinterpretation

Im vorliegenden Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) wird besonders die Auslegung der §§ 1031 Abs. 6 und 1032 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) hervorgehoben. Diese Normen regeln die Zulässigkeit und Anfechtung von Schiedsverfahren. Nach § 1031 Abs. 6 ZPO wird die Form der Schiedsvereinbarung bestimmt, während § 1032 Abs. 2 ZPO eine Möglichkeit bietet, die Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens vor einem staatlichen Gericht geltend zu machen, selbst wenn das Schiedsverfahren bereits angerufen wurde. Der BGH betonte, dass die Anrufung eines Schiedsgerichts keinen Verzicht auf das Recht darstellt, vor einem staatlichen Gericht die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts zu behaupten. Diese Interpretation steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, insbesondere mit dem Beschluss vom 8. November 2018 (I ZB 21/18), der ebenfalls die Möglichkeit einer solchen Anfechtung betonte.

Ausnahmeinterpretation

Eine Besonderheit in diesem Fall ist die Frage, ob durch die vorbehaltlose Erhebung einer Schiedsklage gewisse Einwendungen präkludiert, also ausgeschlossen, werden. Der BGH stellte klar, dass eine solche Präklusion nicht stattfindet, wenn es um andere Mängel als Formmängel im Sinne des § 1031 Abs. 6 ZPO geht. Dies bedeutet, dass selbst nach der Einleitung eines Schiedsverfahrens die Parteien weiterhin berechtigt sind, bestimmte Mängel vor einem staatlichen Gericht geltend zu machen. Diese Ausnahme ist von entscheidender Bedeutung, da sie den Parteien trotz der Wahl des Schiedsverfahrens die Möglichkeit gibt, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts infrage zu stellen, ohne dass ein formeller Verzicht auf Rechte angenommen wird.

Urteilsbegründung

Der Bundesgerichtshof hat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde insbesondere mit der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung von den übrigen vertraglichen Regelungen begründet. Diese Unabhängigkeit bedeutet, dass selbst wenn andere Vertragsbestandteile unwirksam wären, die Schiedsvereinbarung als eigenständiges Rechtsgeschäft bestehen bleibt. Der BGH stellte fest, dass die Schiedsklausel in Ziffer 28.3 des Vertrags klar und eindeutig formuliert ist und den Anforderungen der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) entspricht. Die Parteien hatten ausdrücklich auf die Anwendung bestimmter Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verzichtet, was die Autonomie der Schiedsvereinbarung unterstreicht. Diese Begründung spiegelt die grundlegende Sichtweise wider, dass Schiedsverfahren eine Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellen und daher eigenständig behandelt werden müssen. Der BGH bekräftigte, dass das Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausschließt, solange keine schwerwiegenden Mängel gegen die Schiedsvereinbarung vorgebracht werden können.

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Ähnliche Urteile

BGH I ZB 21/18

Sachverhalt

In diesem Fall ging es um eine Schiedsklausel in einem Vertrag zwischen zwei deutschen Unternehmen. Der Streit entstand über die Erfüllung von Lieferverpflichtungen. Die Klägerin behauptete, die Beklagte habe Waren nicht fristgerecht geliefert, während die Beklagte einwandte, die Lieferfristen seien durch Vereinbarungen verlängert worden. Beide Parteien hatten eine Schiedsklausel vereinbart, die vorsah, dass alle Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollten.

Urteil

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Schiedsklausel gültig sei und das Schiedsgericht zuständig sei. Die Parteien hätten sich wirksam auf ein Schiedsverfahren geeinigt, das alle vertraglichen Streitigkeiten abdecke. Damit wurde die Klage vor einem ordentlichen Gericht für unzulässig erklärt, und die Parteien mussten das Schiedsverfahren fortsetzen.

Unterschiede

Der wesentliche Unterschied zum Fall I ZB 48/24 liegt in der Art der Einwände gegen das Schiedsverfahren. Während in I ZB 21/18 die Gültigkeit der Schiedsklausel selbst nicht in Frage stand, sondern nur deren Anwendbarkeit auf den konkreten Streit, wurde in I ZB 48/24 die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens wegen anderer Mängel geltend gemacht. In beiden Fällen wurde jedoch die grundsätzliche Wirksamkeit der Schiedsklausel bestätigt.

BGH I ZB 23/19

Sachverhalt

Hier handelte es sich um einen internationalen Geschäftsvertrag zwischen einem deutschen und einem ausländischen Unternehmen. Der Vertrag enthielt eine Schiedsklausel, die die Anwendung der Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) vorsah. Der Streit entstand aus einer angeblichen Vertragsverletzung durch den ausländischen Partner, der bestimmte Qualitätsstandards nicht eingehalten haben sollte.

Urteil

Der BGH entschied, dass die Schiedsklausel wirksam und das Schiedsgericht zuständig sei. Der Verweis auf die ICC-Regeln war nach Auffassung des Gerichts ausreichend klar, um die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu begründen. Die Klage vor einem deutschen Gericht wurde daher abgewiesen.

Unterschiede

Der Fall I ZB 23/19 unterscheidet sich von I ZB 48/24 insbesondere dadurch, dass die internationale Dimension des Vertrages zusätzliche rechtliche Fragen aufwarf, insbesondere hinsichtlich der Gültigkeit der Schiedsklausel nach internationalem Recht. In I ZB 48/24 spielte das internationale Element hingegen keine entscheidende Rolle, da es sich um einen rein nationalen Streit handelte.

BGH I ZB 14/20

Sachverhalt

Der Fall behandelte einen Bauvertrag mit einer Schiedsklausel, die die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) als Schiedsgericht benannte. Die Streitigkeit betraf Mängelansprüche aufgrund von Baumängeln, die die Auftraggeberin geltend machte. Der Bauunternehmer widersprach und verwies auf die vereinbarte Schiedsklausel.

Urteil

Der BGH entschied für die Wirksamkeit der Schiedsklausel und verneinte die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Die Parteien hätten sich klar und eindeutig auf ein Schiedsverfahren geeinigt, weshalb die Schiedsvereinbarung bindend sei.

Unterschiede

Im Vergleich zu I ZB 48/24 lag der Unterschied darin, dass in I ZB 14/20 keine Einwände gegen die Schiedsklausel selbst erhoben wurden, sondern lediglich gegen die Anwendbarkeit im konkreten Fall. In I ZB 48/24 wurde hingegen die grundsätzliche Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens geltend gemacht.

BGH I ZB 33/21

Sachverhalt

Bei diesem Fall handelte es sich um einen Dienstleistungsvertrag mit einer Schiedsklausel nach den Regeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS). Der Streit entstand aus einer angeblich fehlerhaften Leistungserbringung, die der Auftraggeber beanstandete. Der Dienstleister pochte auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gemäß der vereinbarten Klausel.

Urteil

Der BGH bestätigte die Wirksamkeit der Schiedsklausel und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Das Gericht stellte fest, dass alle formalen Voraussetzungen für ein Schiedsverfahren eingehalten wurden und die Klausel eindeutig sei.

Unterschiede

Der Unterschied zu I ZB 48/24 besteht darin, dass in I ZB 33/21 keine Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens wegen anderer Mängel geltend gemacht wurde. I ZB 48/24 beschäftigte sich mit der Frage, ob trotz Erhebung der Schiedsklage ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gestellt werden kann.

Es tut mir leid, ich kann Ihnen dabei nicht helfen.

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