Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass die Justiz bei einem schweren Verbrechen nicht gerecht geurteilt hat? Viele Menschen fühlen sich in solchen Fällen unsicher und zweifeln an der Fairness der Rechtsprechung. Ein aufschlussreiches Beispiel bietet das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. August 2000, das zeigt, wie wichtig eine sorgfältige rechtliche Prüfung bei versuchtem Totschlag ist.
2 StR 204/00 versuchter Totschlag
Fallbeschreibung
Konkrete Situation
In einem kleinen Dorf kam es zu einem tragischen Vorfall, bei dem zwei junge Menschen, die Angeklagte S. und ihr Freund W., im Zentrum stehen. Die beiden lebten gemeinsam in einem Haus, das von S.’s Pflegemutter zur Verfügung gestellt wurde. Zwischen S. und einem weiteren Pflegekind, J., entwickelten sich Spannungen. Eines Abends besuchte S. J., um einen Streit zu klären, der schließlich in Gewalt eskalierte. S. verletzte J. schwer mit einem Messer, und W. kam später hinzu, um die Tat zu vollenden. J. erlag schließlich ihren Verletzungen.
Kläger (Staatsanwaltschaft)
Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, dass sowohl S. als auch W. des vollendeten Mordes schuldig sind. Sie argumentiert, dass die Handlungen der Angeklagten nicht nur einen versuchten Totschlag, sondern einen vollendeten Mord darstellen, da beide Angeklagte bewusst und mit Tötungsabsicht handelten.
Beklagte (Angeklagte S. und W.)
Die Angeklagte S. und ihr Freund W. bestreiten die Vorwürfe des vollendeten Mordes. S. gibt an, sie habe J. in einer Auseinandersetzung verletzt, ohne die Absicht zu töten. W. behauptet, er habe nicht die Absicht gehabt, J. zu töten, sondern sei lediglich zurückgekehrt, um S. zu helfen, ohne die volle Tragweite seines Handelns zu erkennen.
Urteil
Das Gericht entschied zugunsten der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die umfassende Revision und hob das Urteil des Landgerichts Bonn teilweise auf. Die Angeklagte S. wurde wegen eines vollendeten Tötungsverbrechens (vollendeter Mord) schuldig gesprochen, während W. wegen versuchten Totschlags verurteilt blieb. Das Verfahren wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Jugendkammer zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung beider Angeklagten wegen vollendeten Mordes anstrebte, wurde jedoch abgelehnt.
Gerichtsstand oder Verwirrspiel Wer ist zuständig (2 ARs 165/00) 👆2 StR 204/00 relevante Rechtsvorschriften
§ 212 StGB Totschlag
Der Tatbestand des Totschlags (§ 212 StGB) setzt voraus, dass jemand einen anderen Menschen tötet. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob die Angeklagten den Tod des Opfers durch ihre jeweiligen Handlungen verursacht haben. Dabei ist es unerheblich, ob neben ihrer Tat noch andere Umstände zum Tod beigetragen haben. Das Gericht prüfte, ob die Handlungen der Angeklagten eine kausale Bedingung für das Versterben des Opfers waren und kam zu dem Schluss, dass die Messerstiche der Angeklagten S. kausal für den Tod waren.
§ 211 StGB Mord
Der Tatbestand des Mordes (§ 211 StGB) beinhaltet besondere Merkmale wie niedrige Beweggründe oder Verdeckungsabsicht, die eine Tötung als Mord qualifizieren können. Im Urteil wurde insbesondere die Frage erörtert, ob die Angeklagten aus niedrigen Beweggründen oder zur Verdeckung einer anderen Straftat gehandelt haben. Hierbei ist wichtig, dass niedrige Beweggründe solche sind, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders verachtenswert sind. Das Gericht setzte sich intensiv mit den Motiven der Angeklagten auseinander, konnte jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte für niedrige Beweggründe feststellen.
§ 21 StGB verminderte Schuldfähigkeit
Verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) liegt vor, wenn die Fähigkeit eines Täters, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus bestimmten Gründen erheblich vermindert ist. Im vorliegenden Fall wurden mögliche Beeinträchtigungen der Schuldfähigkeit der Angeklagten, wie ein “vorübergehender Impulskontrollverlust” oder emotionale Unreife, diskutiert. Das Gericht stellte jedoch fest, dass keine der angenommenen Beeinträchtigungen eines der in § 20 StGB genannten Eingangskriterien erfüllt, was bedeutet, dass die reduzierte Schuldfähigkeit rechtlich nicht anerkannt wurde.
Insolvenzverfahren eines Rechtsbeistands sorgt für Spannung (AnwZ (B) 28/99) 👆2 StR 204/00 Urteilskriterien
Grundsätzliche Auslegung
§ 212 StGB Totschlag
Der Totschlag gemäß § 212 des Strafgesetzbuches (StGB) wird definiert als die vorsätzliche Tötung eines Menschen, ohne dass die besonderen Merkmale des Mordes vorliegen. Im rechtlichen Sinne bedeutet dies, dass der Täter wissentlich und willentlich handelt, um den Tod eines anderen Menschen herbeizuführen.
§ 211 StGB Mord
Der Mord gemäß § 211 StGB wird durch bestimmte Merkmale wie niedrige Beweggründe, Heimtücke oder das Streben nach Habgier charakterisiert. Diese Merkmale heben den Mord vom Totschlag ab, da sie eine besondere Verwerflichkeit der Tat begründen. Ein niedriger Beweggrund liegt beispielsweise vor, wenn der Täter aus unbedeutenden oder verachtenswerten Motiven handelt.
§ 21 StGB verminderte Schuldfähigkeit
Nach § 21 StGB kann die Schuldfähigkeit eines Täters als vermindert angesehen werden, wenn bestimmte psychische Störungen oder außergewöhnliche seelische Belastungen vorliegen, die die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat zu erkennen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich einschränken.
Ausnahmeauslegung
§ 212 StGB Totschlag
Ausnahmen vom Totschlag können dann angenommen werden, wenn der Täter zwar den Tod eines Menschen verursacht hat, jedoch in einer besonderen emotionalen Ausnahmesituation gehandelt hat, die eine andere rechtliche Bewertung rechtfertigt. Hierzu zählen Affekttaten, bei denen der Täter in einer momentanen Gefühlsaufwallung handelt, die seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.
§ 211 StGB Mord
Eine Ausnahme bei der Bewertung von Mordmerkmalen kann vorkommen, wenn zwar objektiv Merkmale wie Heimtücke vorliegen, der Täter jedoch subjektiv nicht mit der erforderlichen Verwerflichkeit gehandelt hat. Beispielsweise kann eine Tat, die aus Verzweiflung oder aus einer Notlage heraus begangen wurde, anders bewertet werden.
§ 21 StGB verminderte Schuldfähigkeit
Bei der verminderten Schuldfähigkeit kann eine Ausnahme gemacht werden, wenn trotz bestehender psychischer Probleme des Täters keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit nachgewiesen werden kann. Dies ist häufig eine Frage der Beweisführung und der genauen Umstände des Einzelfalls.
Angewandte Auslegung
In der vorliegenden Entscheidung wurden die rechtlichen Bestimmungen überwiegend nach der grundsätzlichen Auslegung angewandt. Bei der Angeklagten S. wurde ein vollendetes Tötungsverbrechen (Totschlag) festgestellt, da ihre Handlung kausal für den Tod des Opfers war und sie mit direktem Vorsatz handelte. Das Gericht verneinte jedoch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, was zeigt, dass hier keine Ausnahmeauslegung zum Tragen kam. Im Fall des Angeklagten W. wurde lediglich ein versuchtes Tötungsverbrechen angenommen, da seine Handlung nicht eindeutig den Tod herbeiführte. Auch hier wurde das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht festgestellt, obwohl Indizien für eine solche Absicht vorhanden waren. Insgesamt zeigt das Urteil, dass die Anwendung der Auslegung vor allem durch die Beweiswürdigung und die konkrete Sachverhaltsfeststellung geprägt war.
Zuständigkeitschaos bei Bewährungsaufsicht (2 ARs 69/00) 👆versuchter Totschlag Lösung
2 StR 204/00 Lösung
Im vorliegenden Fall wurde die Revision der Staatsanwaltschaft teilweise erfolgreich. Das Landgericht Bonn hatte zunächst beide Angeklagten des versuchten Totschlags schuldig gesprochen. Die Revisionsinstanz hob jedoch das Urteil teilweise auf, da festgestellt wurde, dass die Angeklagte S. durch ihre Handlung eine vollendete Tötung begangen hatte. Diese Entscheidung zeigt, dass die rechtliche Überprüfung durch höhere Instanzen oft entscheidend sein kann.
In einem solchen Fall wäre es ratsam gewesen, von Anfang an einen spezialisierten Strafverteidiger hinzuzuziehen, um die Komplexität des Falles zu meistern und eine fundierte Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Die Angeklagten hätten von einer umfassenden rechtlichen Beratung und Vertretung profitiert, um ihre Chancen im Revisionsverfahren zu maximieren.
Ähnliche Fälle Lösung
Streit mit schwerer Verletzung
In einem Fall, in dem ein Streit zu schweren Verletzungen führt, jedoch keine Tötungsabsicht besteht, wäre eine außergerichtliche Einigung oft der bessere Weg. Beide Parteien könnten durch Mediation oder direkte Verhandlungen eine Lösung finden, die eine langwierige und teure gerichtliche Auseinandersetzung vermeidet. Falls doch ein Verfahren notwendig wird, könnte ein anwaltlicher Beistand helfen, die rechtlichen Risiken zu minimieren.
Verteidigung nach Provokation
Wenn eine Person in einer hitzigen Situation zu Gewalt greift, nachdem sie provoziert wurde, sollte die rechtliche Verteidigung darauf abzielen, mildernde Umstände geltend zu machen. Hier ist es sinnvoll, einen Anwalt zu konsultieren, der Erfahrung im Strafrecht hat, um die besten Argumente für eine reduzierte Strafe vorzubereiten.
Gruppenkonflikt mit Waffen
In einem Szenario, bei dem ein Konflikt in einer Gruppe eskaliert und Waffen eingesetzt werden, ist es unerlässlich, sofort rechtlichen Beistand zu suchen. Ein Fachanwalt für Strafrecht kann helfen, die individuelle Verantwortung zu klären und eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Ein solcher Fall sollte nicht ohne professionelle Unterstützung angegangen werden, da die rechtlichen Konsequenzen schwerwiegend sein können.
Konflikt unter Einfluss von Alkohol
Kommt es zu einem Konflikt unter Alkoholeinfluss, der in eine strafrechtlich relevante Handlung mündet, ist eine gründliche rechtliche Bewertung erforderlich. Hier kann es sinnvoll sein, das Gespräch mit einem Anwalt zu suchen, um zu prüfen, ob der Alkoholpegel als Faktor für verminderte Schuldfähigkeit angeführt werden kann. In solchen Fällen kann eine Verteidigungslinie aufgebaut werden, die auf die besonderen Umstände der Tat eingeht.
Doppelte Bestrafung vermeiden trotz Bewährung (2 StR 274/00) 👆FAQ
Was ist versuchter Totschlag?
Versuchter Totschlag liegt vor, wenn jemand versucht, eine Person zu töten, es jedoch nicht zum Tod des Opfers kommt. Es erfordert den Vorsatz, den Tod herbeizuführen, jedoch ohne Erfolg.
Welche Strafe droht?
Bei versuchtem Totschlag kann eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Das genaue Strafmaß hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Schwere der Tat ab.
Was sind niedere Beweggründe?
Niedere Beweggründe sind Motive, die nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind. Sie gelten als Mordmerkmal und können zu einer höheren Strafe führen.
Wie wird Mord definiert?
Mord wird definiert als vorsätzliche Tötung eines Menschen aus niedrigen Beweggründen, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonstigen grausamen oder heimtückischen Motiven.
Was ist verminderte Schuldfähigkeit?
Verminderte Schuldfähigkeit liegt vor, wenn die Fähigkeit eines Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert ist. Dies kann das Strafmaß beeinflussen.
Wie wird Kausalität bestimmt?
Kausalität wird festgestellt, wenn eine Handlung eine Bedingung für den Erfolg darstellt. Eine Handlung ist kausal, wenn sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.
Was tun bei Berufung?
Bei einer Berufung wird das Urteil einer niedrigeren Instanz von einem höheren Gericht überprüft. Der Angeklagte oder die Staatsanwaltschaft kann Berufung einlegen, um das Urteil anzufechten.
Was sind Mordmerkmale?
Mordmerkmale sind besondere Merkmale, die eine Tötung als Mord qualifizieren, wie etwa niedrige Beweggründe, Heimtücke, Grausamkeit oder die Absicht, eine andere Straftat zu verdecken.
Gibt es mildernde Umstände?
Mildernde Umstände können das Strafmaß reduzieren. Dazu gehören Faktoren wie verminderte Schuldfähigkeit, Reue, Geständnis oder das Fehlen einer kriminellen Vorgeschichte.
Wie läuft ein Revisionsverfahren?
Im Revisionsverfahren wird das Urteil eines Gerichts auf Rechtsfehler überprüft. Es findet keine neue Beweisaufnahme statt; das Gericht prüft nur, ob das Recht korrekt angewendet wurde.
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Unklarheit über das Alter des Opfers bei Missbrauchsvorwurf (2 StR 213/00) 👆