Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob die Anwesenheit einer bestimmten Person während einer Gerichtsverhandlung Ihre Aussage beeinflussen könnte? Viele Menschen stehen vor diesem Dilemma, insbesondere wenn es um sensible Angelegenheiten geht, aber glücklicherweise gibt es ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs, das Klarheit schafft. Wenn Sie in einer ähnlichen Situation sind, könnte dieses Urteil des BGH vom 21. September 2000 Ihnen helfen, die richtigen Schritte zu unternehmen.
1 StR 257/00 Sexueller Missbrauch geistig Behinderter
Fallbeschreibung
Konkrete Situation
Es war einmal ein Betreuer, der beschuldigt wurde, im November 1997 und April 1998 an drei geistig behinderten Heimbewohnerinnen sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Diese Bewohnerinnen, die unter seiner Obhut standen, waren L., K. und die Nebenklägerin G. Der Betreuer, der diese Vorwürfe bestritt, sah sich mit einer Anklage wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen konfrontiert. Die Angelegenheit fand ihren Weg vor das Gericht, da es sich um schwerwiegende Anschuldigungen handelte, die nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch die Institution, in der sie lebten, betrafen.
Kläger (Heimleiter)
Der Kläger in diesem Fall ist der Heimleiter, der die Interessen der betroffenen Bewohnerinnen vertritt. Er argumentiert, dass der Betreuer seine Vertrauensstellung missbraucht habe, um die Bewohnerinnen zu schädigen. Der Heimleiter betont, dass der Schutz der Bewohnerinnen oberste Priorität habe, und fordert, dass der Betreuer zur Verantwortung gezogen wird, um sicherzustellen, dass solche Vorfälle nicht ungestraft bleiben.
Beklagter (Betreuer)
Der Beklagte, der als Betreuer in der Einrichtung tätig war, bestreitet die Vorwürfe vehement. Er behauptet, dass er stets im besten Interesse der Bewohnerinnen gehandelt habe und dass es zu keinerlei Übergriffen gekommen sei. Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Anschuldigungen unbegründet sind und auf Missverständnissen beruhen. Er zeigt sich entschlossen, seine Unschuld zu beweisen und seine berufliche Integrität zu verteidigen.
Urteilsergebnis
In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof zugunsten des Beklagten entschieden. Das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 8. Dezember 1999 wurde aufgehoben, und der Fall wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückverwiesen. Dies bedeutet, dass das Urteil des vorherigen Gerichts nicht mehr gültig ist und die Angelegenheit erneut überprüft wird. Der Beklagte muss nun vor dem Landgericht Karlsruhe erneut Stellung zu den Vorwürfen nehmen, während die Kosten des Rechtsmittels ebenfalls neu entschieden werden.
Unbekannter Grundstückseigentümer stellt Landkreis als Vertreter ein (LwZR 15/99) 👆1 StR 257/00 Relevante Rechtsvorschriften
StPO § 247 Satz 1
Der § 247 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) regelt die vorübergehende Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal. Diese kann erfolgen, wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen wird. Im vorliegenden Fall wurde die Entfernung des Angeklagten während der Vernehmung der Nebenklägerin G. angewendet, da ihre Eltern als Betreuer der Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten widersprochen hatten. Allerdings war dies nicht ausreichend, da die Voraussetzungen für einen Ausschluss nicht gegeben waren. Ein Zeugnisverweigerungsrecht (das Recht, die Aussage zu verweigern) stand der Zeugin nicht zu.
StPO § 338 Nr. 5
Der § 338 Nr. 5 StPO führt absolute Revisionsgründe an, die zur Aufhebung eines Urteils führen können. Ein solcher Grund liegt vor, wenn entgegen der Vorschrift des § 247 Satz 1 StPO in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt wurde. In diesem Fall wurde festgestellt, dass die Strafkammer gegen die Pflicht verstoßen hatte, in Anwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, was zu einer erfolgreichen Revision führte.
BGB § 1896
Der § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) behandelt die Bestellung eines Betreuers für Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen können. Im Kontext des Falls spielten die Eltern der Nebenklägerin G. die Rolle der Betreuer. Allerdings konnte ihre Zustimmung oder Ablehnung der Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten nicht als rechtliche Grundlage für dessen Ausschluss dienen, da höchstpersönliche Angelegenheiten, wie Zeugenaussagen, nicht durch einen Vertreter vorgenommen werden können.
BGB § 1897
Der § 1897 BGB bestimmt, dass der Betreuer vom Gericht bestellt wird und dass die Wünsche des Betroffenen bei der Auswahl des Betreuers, soweit möglich, berücksichtigt werden sollen. Im Fall der Nebenklägerin G. wurde der Wunsch ihrer Eltern, dass die Vernehmung in Abwesenheit des Angeklagten stattfände, nicht als rechtlicher Grund anerkannt, um den Angeklagten aus dem Saal zu entfernen.
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Grundsätzliche Auslegung
StPO § 247 Satz 1
Gemäß § 247 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) kann ein Angeklagter vorübergehend aus dem Sitzungssaal entfernt werden, wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge in seiner Anwesenheit nicht die Wahrheit sagen wird. Dies soll sicherstellen, dass die Zeugenaussage unbeeinflusst und wahrheitsgemäß erfolgt. Es handelt sich um eine Schutzmaßnahme, um den Druck, den die Anwesenheit des Angeklagten auf den Zeugen ausüben könnte, zu minimieren.
StPO § 338 Nr. 5
Der § 338 Nr. 5 StPO konstatiert einen absoluten Revisionsgrund, wenn das Gericht in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt, obwohl seine Anwesenheit gesetzlich vorgeschrieben ist. Dieser Paragraph sichert die Rechte des Angeklagten auf eine faire Verhandlung, indem er seine Anwesenheit als Grundsatz festlegt, um ihm die Möglichkeit zur Verteidigung zu geben.
BGB § 1896
Gemäß § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann eine rechtliche Betreuung für eine Person angeordnet werden, die ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln kann. Diese Betreuung umfasst jedoch nicht die höchstpersönlichen Angelegenheiten, die nicht durch einen Vertreter erledigt werden können, wie beispielsweise die Teilnahme an einer gerichtlichen Vernehmung.
BGB § 1897
Der § 1897 BGB regelt die Bestellung eines Betreuers, der im besten Interesse des Betreuten handeln soll. Dieser Betreuer kann zwar Entscheidungen in vielen Lebensbereichen treffen, aber nicht in Angelegenheiten, die die höchstpersönlichen Rechte der betreuten Person betreffen, wie etwa das Zeugnis vor Gericht.
Ausnahmsweise Auslegung
StPO § 247 Satz 1
In Ausnahmefällen kann § 247 Satz 1 StPO auch dann angewandt werden, wenn ein Zeuge sich nur in Abwesenheit des Angeklagten äußern möchte, weil er beispielsweise befürchtet, durch dessen Anwesenheit psychisch belastet zu werden. Diese Ausnahme ist jedoch eng auszulegen und setzt voraus, dass die Verweigerung der Aussage in Anwesenheit des Angeklagten glaubhaft dargelegt wird.
StPO § 338 Nr. 5
Die Ausnahme zu § 338 Nr. 5 StPO findet Anwendung, wenn das Gericht irrtümlich, aber nachvollziehbar annimmt, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss des Angeklagten vorliegen. In solchen Fällen könnte ein Verfahrensfehler als nicht schwerwiegend eingestuft werden, sofern die Wahrheitsfindung nicht ernsthaft beeinträchtigt wurde.
BGB § 1896
Auch bei § 1896 BGB gibt es Ausnahmefälle, in denen der Betreuer in höchstpersönlichen Angelegenheiten beraten kann, jedoch ohne verbindliche Entscheidungen zu treffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Betreute selbst nicht in der Lage ist, eine informierte Entscheidung zu treffen, und eine solche Entscheidung im besten Interesse des Betreuten liegt.
BGB § 1897
Eine Ausnahme bei § 1897 BGB kann gemacht werden, wenn der Betreuer aufgrund besonderer Umstände in enger Zusammenarbeit mit dem Gericht agiert, um den Schutz des Betreuten zu gewährleisten, insbesondere wenn gesundheitliche Risiken bestehen, die ohne gerichtliche Intervention nicht abgewendet werden können.
Angewandte Auslegung
In diesem konkreten Fall wurde die grundsätzliche Auslegung des § 247 Satz 1 StPO nicht korrekt angewandt, da die Voraussetzungen für den Ausschluss des Angeklagten nicht gegeben waren. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass eine Vernehmung der Zeugin in Abwesenheit des Angeklagten aufgrund des Widerspruchs ihrer Betreuer nicht statthaft war, da sie kein Zeugnisverweigerungsrecht hatte und keine ernsthafte Gesundheitsgefahr bestand. Ebenso wurde der § 338 Nr. 5 StPO als absoluter Revisionsgrund durch den fehlerhaften Ausschluss des Angeklagten aus der Verhandlung angewandt. Die Anwendung des BGB in diesem Fall zeigte, dass die Rechte der Betreuer nicht ausreichten, um die Anwesenheit des Angeklagten bei der Zeugenaussage zu verhindern, da es sich um eine höchstpersönliche Angelegenheit der Zeugin handelte.
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1 StR 257/00 Lösungsmethoden
In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an eine andere Kammer verwiesen. Der Angeklagte hatte Erfolg mit seiner Revision, da die Entfernung aus dem Sitzungssaal nicht ordnungsgemäß begründet war. Die korrekte Vorgehensweise wäre gewesen, die rechtlichen Grundlagen für den Ausschluss des Angeklagten genauer zu prüfen und zu dokumentieren. Der Angeklagte hat in diesem Fall davon profitiert, den Rechtsweg zu beschreiten und einen erfahrenen Strafverteidiger zu konsultieren. Für ähnliche Fälle ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Beistand zu suchen, insbesondere wenn komplexe Verfahrensfragen im Raum stehen.
Ähnliche Fälle Lösungsmethoden
Betreuer widerspricht Vernehmung
In einem Fall, in dem ein Betreuer der Vernehmung des Betreuten widerspricht, ist es entscheidend, rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Der Betreuer hat nicht das Recht, eine Zeugenaussage vollständig zu verhindern. Hier wäre es sinnvoll, durch einen Anwalt prüfen zu lassen, ob ein gerichtlicher Antrag auf Ausschluss des Angeklagten gerechtfertigt wäre oder nicht.
Zeuge fühlt sich bedroht
Wenn ein Zeuge angibt, sich durch die Anwesenheit des Angeklagten bedroht zu fühlen, sollte zuerst versucht werden, in einem Gespräch mit dem Zeugen und gegebenenfalls mit einem psychologischen Gutachter die Situation zu klären. Sollte die Bedrohungslage begründet sein, kann ein Antrag auf Ausschluss des Angeklagten gestellt werden. Hierbei ist es oft sinnvoll, einen Anwalt einzuschalten, um die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags zu bewerten.
Gesundheitsgefahr durch Anwesenheit
Besteht die Gefahr, dass die Anwesenheit des Angeklagten die Gesundheit eines Zeugen gefährdet, muss dies durch ein medizinisches Gutachten untermauert werden. Ein Rechtsanwalt kann helfen, die entsprechenden Anträge zu stellen und die medizinischen Berichte korrekt einzureichen. Ein solcher Ansatz stärkt die Position des Zeugen erheblich.
Unzureichende rechtliche Vertretung
In Fällen, in denen die rechtliche Vertretung des Zeugen oder des Angeklagten als unzureichend empfunden wird, sollte umgehend ein erfahrener Anwalt konsultiert werden. Eine fehlerhafte Vertretung kann zu schwerwiegenden Prozessfehlern führen. Der frühzeitige Wechsel zu einem kompetenten Rechtsbeistand kann helfen, solche Fehler zu vermeiden und den Ausgang des Verfahrens positiv zu beeinflussen.
Ehemaliger DDR-Richter kämpft um Anwaltszulassung (AnwZ(B) 43/99) 👆FAQ
Was ist StPO § 247?
StPO § 247 regelt die Möglichkeit, einen Angeklagten vorübergehend aus dem Sitzungssaal zu entfernen, wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge in seiner Anwesenheit nicht die Wahrheit sagt.
Wann darf ein Angeklagter ausgeschlossen werden?
Ein Angeklagter darf ausgeschlossen werden, wenn die Gefahr besteht, dass ein Zeuge in seiner Anwesenheit nicht wahrheitsgemäß aussagt oder wenn die Gesundheit des Zeugen gefährdet ist.
Was bedeutet BGB § 1896?
BGB § 1896 regelt die Bestellung eines Betreuers für eine Person, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln kann.
Wer kann Betreuer widersprechen?
Betreuer können in rechtlichen Angelegenheiten für die betreute Person sprechen, jedoch nicht in höchstpersönlichen Angelegenheiten wie der Zeugenaussage, wo die betroffene Person selbst entscheiden muss.
Wie wird Wahrheitsermittlung sichergestellt?
Die Wahrheitsermittlung wird sichergestellt, indem das Gericht die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass Zeugen ohne Beeinflussung durch den Angeklagten oder andere Faktoren aussagen können.
Können Betreuer Zeugenvernehmung verhindern?
Nein, Betreuer können die Vernehmung eines Zeugen nicht verhindern, da Zeugenaussagen zu den höchstpersönlichen Rechten gehören, die nicht durch einen Betreuer vertreten werden können.
Wann ist eine Gesundheitsgefahr gegeben?
Eine Gesundheitsgefahr liegt vor, wenn durch die Vernehmung des Zeugen in Anwesenheit des Angeklagten schwerwiegende negative Auswirkungen auf die psychische oder physische Gesundheit des Zeugen zu erwarten sind.
Welche Rechte haben Zeugen?
Zeugen haben die Pflicht, vor Gericht zu erscheinen und wahrheitsgemäß auszusagen. Sie können jedoch unter bestimmten Umständen das Zeugnis verweigern, etwa bei Selbstbelastung.
Was passiert bei Verfahrensfehlern?
Bei Verfahrensfehlern kann das Urteil in der Revision aufgehoben werden. Das Verfahren wird dann möglicherweise an eine andere Kammer oder ein anderes Gericht zur erneuten Verhandlung verwiesen.
Wie wird ein Urteil angefochten?
Ein Urteil wird durch Einlegen einer Revision angefochten. Dabei werden rechtliche Fehler des erstinstanzlichen Urteils überprüft, was zu einer Aufhebung oder Änderung des Urteils führen kann.
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