Akteneinsicht oder nicht? Der Notar und seine Disziplinarakten (NotZ 14/99)

Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, dass wichtige Informationen über Sie zurückgehalten werden, obwohl Sie ein Recht darauf haben, sie einzusehen? Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, Einsicht in ihre eigenen Akten zu erhalten, insbesondere wenn es um Verwaltungs- oder Disziplinarverfahren geht. Eine richtungsweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) bietet in solchen Fällen Klarheit und könnte Ihnen helfen, Ihr Recht auf Akteneinsicht durchzusetzen; lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr.

NotZ 14/99 Einsicht in Personalakten des Notars

Fallübersicht

Konkrete Umstände

Ein Notar aus Leipzig beantragte Einsicht in seine beim Präsidenten des Landgerichts geführten Personalakten. Hintergrund der Anfrage war ein gegen ihn laufendes förmliches Disziplinarverfahren, das beim Präsidenten des Oberlandesgerichts anhängig ist. Der Notar stellte diesen Antrag, da er sich von der Einsichtnahme eine Klärung über den Umfang der gegen ihn geführten Akten erhoffte.

Kläger (Notar in Leipzig)

Der Kläger, der als Notar in Leipzig tätig ist, argumentiert, dass ihm ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in alle über ihn geführten Personalakten zusteht. Er ist der Überzeugung, dass die Akten beim Präsidenten des Landgerichts unvollständig sind und er nicht die volle Transparenz über die gegen ihn vorliegenden Dokumente hat. Er fühlt sich ungerecht behandelt, da ihm der Zugang zu den vollständigen Akten verweigert wurde.

Beklagter (Präsident des Landgerichts)

Der Beklagte, der Präsident des Landgerichts, vertritt die Ansicht, dass die bei ihm vorhandenen Zweitakte des Disziplinarverfahrens nicht zu den Personalakten zählen, in die der Notar Einsicht nehmen darf. Er erklärt, dass die Einsichtnahme in Disziplinarunterlagen den Regeln der Disziplinargesetze unterliegt und dass diese Regeln eingehalten werden müssen, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.

Urteilsergebnis

Der Kläger hat teilweise gewonnen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Notar in bestimmte Verwaltungsermittlungsakten Einsicht nehmen darf, jedoch nicht in die Zweitakte des Disziplinarverfahrens. Die Akten, die im Rahmen von Verwaltungsermittlungen gesammelt wurden und nicht Teil des Disziplinarverfahrens sind, müssen dem Notar zur Einsicht bereitgestellt werden. Der Präsident des Landgerichts muss darauf hinwirken, dass diese Akten korrekt geführt und dem Notar zugänglich gemacht werden. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben.

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NotZ 14/99 Relevante Gesetzesartikel

BNotO §§ 92 ff

Die Bundesnotarordnung (BNotO) legt in den Paragraphen 92 ff die Rahmenbedingungen für das Disziplinarverfahren gegen Notare fest. Diese Vorschriften regeln, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Disziplinarverfahren eingeleitet werden können und welche Rechte und Pflichten Notare in diesem Kontext haben. Besonders relevant ist hier die Abgrenzung zwischen Disziplinarakten und Personalakten, die im vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung ist. Disziplinarakten werden separat von den Personalakten geführt und unterliegen speziellen Einsichtsregeln.

§ 111 Abs. 4 BRAO

Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) enthält im § 111 Abs. 4 spezifische Vorschriften zur sofortigen Beschwerde im Rahmen von Verfahren, die die Bundesnotarordnung betreffen. Diese Regelung ermöglicht es, Entscheidungen des Oberlandesgerichts zu überprüfen, wenn es um die Einsicht in Akten geht. Dieser Mechanismus ist besonders wichtig, um die Rechte der Notare zu wahren, insbesondere wenn es um die Einsicht in ihre Personalakten geht.

§ 117 Abs. 1 Sächsisches Beamtengesetz

Das Sächsische Beamtengesetz definiert in § 117 Abs. 1 den Begriff der Personalakte. Dieser Paragraph unterscheidet sich von der Bundesnotarordnung, da er spezifisch für Beamte gilt. Dennoch wird er durch die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz auf Notare angewendet, um zu bestimmen, welche Unterlagen in die Personalakte aufgenommen werden sollen. Der Paragraph betont den Zusammenhang der Aktenführung mit dem Dienstverhältnis des Beamten, was auch auf die Aktenführung bei Notaren übertragen wird.

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NotZ 14/99 Entscheidungsmaßstäbe

Prinzipielle Auslegung

BNotO §§ 92 ff

Gemäß den §§ 92 ff der Bundesnotarordnung (BNotO) wird das Disziplinarverfahren für Notare geregelt. Grundsätzlich sind die Disziplinarunterlagen, die bei der zuständigen Behörde geführt werden, nicht Teil der Personalakte des Notars. Der Notar hat daher kein allgemeines Einsichtsrecht in diese Unterlagen, sondern nur im Rahmen der Disziplinargesetze.

§ 111 Abs. 4 BRAO

§ 111 Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sieht vor, dass eine sofortige Beschwerde möglich ist. Das Einsichtsrecht des Notars in Personalakten ist nicht im Ermessen der Behörde, sondern ein grundsätzliches Recht, das nicht von einer Genehmigung abhängt.

§ 117 Abs. 1 Sächsisches Beamtengesetz

Nach § 117 Abs. 1 des Sächsischen Beamtengesetzes werden Personalakten als solche definiert, die einen unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis aufweisen. Dieser Grundsatz wird auch auf Notare angewendet, wobei der Begriff des Amtsverhältnisses des Notars weiter gefasst ist.

Ausnahmsweise Auslegung

BNotO §§ 92 ff

Eine Ausnahme zur allgemeinen Regel ist möglich, wenn Verwaltungsermittlungen im Vorfeld eines Disziplinarverfahrens Material ansammeln, das spezifisch gegen den Notar gerichtet ist. In solchen Fällen kann dieses Material als Teil der Personalakte gelten und unterliegt daher dem Einsichtsrecht des Notars.

§ 111 Abs. 4 BRAO

In echten Streitverfahren nach § 111 BNotO, die mit einem Zivilprozess vergleichbar sind, ist die Anschlussbeschwerde auch nach Ablauf der Beschwerdefrist zulässig. Dies ermöglicht es, auf veränderte Umstände im Verfahren zu reagieren.

§ 117 Abs. 1 Sächsisches Beamtengesetz

Die Zweckbestimmung einer Unterlage kann aus deren Inhalt hervorgehen. Wenn Verwaltungsermittlungen gegen einen bestimmten Notar durchgeführt werden, zählen diese Unterlagen zur Personalakte, sofern sie nicht explizit in ein Disziplinarverfahren eingebunden werden.

Angewandte Auslegung

In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof sowohl die prinzipielle als auch die ausnahmsweise Auslegung angewandt. Die Zweitstücke der Disziplinarakte wurden nicht als Personalakte betrachtet, während andere Verwaltungsermittlungen, die spezifisch gegen den Notar gerichtet waren, als Teil der Personalakte angesehen wurden. Dies lag daran, dass die Verwaltungsermittlungen ohne direkten Zusammenhang mit einem laufenden Disziplinarverfahren durchgeführt wurden und daher dem Einsichtsrecht unterliegen. Diese differenzierte Anwendung der Auslegungsprinzipien stellt sicher, dass die Rechte des Notars gewahrt bleiben, während die Integrität des Disziplinarverfahrens geschützt wird.

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Akteneinsicht Lösungsmethoden

NotZ 14/99 Lösungsmethode

Im Fall NotZ 14/99, in dem ein Notar Einsicht in seine Personalakten beantragte, wurde das teilweise verweigert. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass bestimmte Zweitstücke aus Disziplinarverfahren nicht zu den Personalakten gehören und damit nicht dem uneingeschränkten Einsichtsrecht unterliegen. Der Antragsteller hat hier eine teilweise Niederlage erlitten, da sein Einsichtsrecht nur auf bestimmte, nicht zu disziplinarischen Zweitakten gehörende Akten beschränkt wurde. In diesem Fall war die gerichtliche Auseinandersetzung angemessen, da es um die Klärung von Rechtsfragen ging, die nicht ohne weiteres durch Verhandlungen oder außergerichtliche Einigungen hätten geklärt werden können. Ein Anwalt wäre in diesem komplexen Fall von Vorteil gewesen, um die rechtlichen Feinheiten besser zu verstehen und durchzusetzen.

Ähnliche Fälle Lösungsmethoden

Verweigerte Akteneinsicht bei ungerechtfertigtem Verdacht

In einem Fall, in dem eine Person ungerechtfertigt verdächtigt wird und Einsicht in die Ermittlungsakten verlangt, könnte eine direkte Verhandlung mit der Aufsichtsbehörde der bessere Weg sein. Falls die Behörde sich weigert, könnte ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, um die rechtlichen Grundlagen für die Einsicht zu verdeutlichen. Ein Gerichtsverfahren sollte hier nur die letzte Option sein, da es teuer und zeitaufwendig ist.

Teilweise Einsicht bei laufendem Disziplinarverfahren

Wenn ein Notar während eines laufenden Disziplinarverfahrens nur teilweise Einsicht erhält, sollte er zunächst versuchen, die Angelegenheit durch eine Beschwerde bei der zuständigen Behörde zu klären. Falls dies scheitert, könnte ein spezialisierter Anwalt eingeschaltet werden, um zu prüfen, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Eine gerichtliche Auseinandersetzung ist in solchen Fällen oft komplex und erfordert juristischen Beistand.

Einsicht in abgeschlossene Verfahren

Bei abgeschlossenen Disziplinarverfahren sollte die Einsichtnahme in die Akten in der Regel möglich sein. Sollte die Behörde die Einsicht dennoch verweigern, wäre eine schriftliche Anfrage unter Berufung auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen der erste Schritt. Falls dies nicht erfolgreich ist, könnte eine gerichtliche Überprüfung sinnvoll sein, wobei ein Anwalt helfen kann, die Erfolgsaussichten abzuwägen.

Einsicht bei privaten Streitigkeiten

In Fällen, in denen private Streitigkeiten in die Personalakte eines Notars eingeflossen sind, könnte eine direkte Ansprache der Behörde zur Klärung der Relevanz dieser Dokumente für das Amtsverhältnis hilfreich sein. Eine außergerichtliche Einigung wäre hier vorzuziehen, um unnötige Kosten und Zeitaufwand zu vermeiden. Wenn keine Lösung gefunden wird, könnte ein Mediationsverfahren eine Alternative darstellen, bevor rechtliche Schritte unternommen werden.

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FAQ

Wer hat Einsichtsrecht?

Notare haben ein Einsichtsrecht in ihre Personalakten, außer in spezifisch geregelten Disziplinarvorgänge.

Welche Akten sind einsehbar?

Einsehbar sind Personalakten, die im Zusammenhang mit dem Amtsverhältnis stehen, jedoch keine laufenden Disziplinarvorgänge.

Wann ist Einsicht verweigert?

Einsicht wird verweigert, wenn die Akten Teil eines laufenden Disziplinarverfahrens sind und die Einsicht die Ermittlungen gefährden könnte.

Gibt es eine Einsichtsbeschränkung?

Ja, insbesondere bei Disziplinarakten, wo die Einsicht erst nach Abschluss des Verfahrens gewährt wird, außer wenn die Ermittlungen nicht gefährdet werden.

Wie wird Einsicht beantragt?

Der Antrag auf Einsicht erfolgt schriftlich beim zuständigen Präsidenten des Landgerichts oder Oberlandesgerichts.

Was sind Disziplinarakten?

Disziplinarakten sind Akten, die im Rahmen eines formellen Disziplinarverfahrens gegen einen Notar geführt werden.

Wer entscheidet über Einsicht?

Die Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht trifft der Präsident des Land- oder Oberlandesgerichts.

Ist die Entscheidung anfechtbar?

Ja, Entscheidungen über die Verweigerung der Akteneinsicht können gerichtlich angefochten werden.

Welche Rolle spielt das OLG?

Das Oberlandesgericht prüft Entscheidungen des Landgerichts über die Einsicht in Personalakten und kann diese abändern.

Wie beeinflussen Verwaltungsvorschriften?

Verwaltungsvorschriften legen fest, welche Akten zu den Personalakten zählen und wie diese zu führen sind, was die Einsicht beeinflusst.

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