I ZR 46/24 Unzulässiges Rezeptmakeln Urteil

Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, die rechtlichen Grenzen beim Sammeln und Vermitteln von Rezepten zu verstehen. Möchten Sie wissen, wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden? Werfen wir einen Blick auf ein repräsentatives Urteil, das Klarheit schafft.

Aktenzeichen I ZR 46 24 Situation

Unzulässiges Rezeptmakeln Urteil

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, ist Teil des D.-Konzerns. Sie betreibt eine Online-Plattform, die Apotheken und Versandapotheken ermöglicht, apothekenpflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie andere Produkte wie Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel anzubieten. Die Beklagte ist die berufsständische Organisation der Apotheker in Nordrhein und überwacht die Einhaltung der Berufspflichten der Apotheker. Der Streit entstand, weil die Klägerin von Apotheken eine Nutzungsgebühr für die Teilnahme an ihrer Plattform verlangte. Die Beklagte behauptete, dies verstoße gegen das Verbot des Rezeptmakelns gemäß § 11 Abs. 1a ApoG (Gesetz über das Apothekenwesen), da es die freie Apothekenwahl der Versicherten gefährden könnte.

Urteilsergebnis

Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und hob das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe teilweise auf. Es wurde festgestellt, dass die geforderte Nutzungsgebühr nicht gegen § 11 Abs. 1a ApoG verstößt, da keine verdeckte Erfolgsprovision vorlag. Das Urteil wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, wobei insbesondere der schutzzweckrelevante Zusammenhang zwischen der Tathandlung und dem Vorteil überprüft werden sollte.

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Relevante Rechtsnormen

ApoG § 8 Satz 2

Der § 8 Satz 2 des Apothekengesetzes (ApoG) befasst sich mit der Überlassung von Vermögenswerten an Apotheken. Hierbei wird geregelt, dass Apotheken nur unter bestimmten Voraussetzungen Vermögenswerte von Dritten annehmen dürfen, insbesondere wenn diese in direktem Zusammenhang mit dem Apothekenbetrieb stehen. Der Zweck dieser Regelung ist es, eine unzulässige Einflussnahme auf die Apotheken zu verhindern und die Unabhängigkeit der Apotheken bei der Arzneimittelversorgung zu bewahren.

Vermögenswerte und ihre Bedeutung

Ein Vermögenswert kann in diesem Zusammenhang alles sein, was einen finanziellen oder materiellen Vorteil für die Apotheke darstellt, wie etwa Rabatte, Sonderzahlungen oder die kostenfreie Überlassung von Software oder Dienstleistungen. Entscheidend ist, dass solche Vorteile nicht dazu führen dürfen, dass die Apotheke in ihrer Entscheidung beeinflusst wird, welche Produkte sie bevorzugt oder in welcher Weise sie ihre Dienstleistungen anbietet.

Regelungen zur Umsatzbeteiligung

Besonders kritisch wird die Situation, wenn die Vergütung, die eine Apotheke erhält, an den Umsatz oder Gewinn gekoppelt ist. Das Apothekengesetz sieht vor, dass eine solche Koppelung nur dann zulässig ist, wenn der Umsatz oder Gewinn der Apotheke nicht wesentlich vom Verkauf über den vermittelten Kanal abhängt. Diese Regelung zielt darauf ab, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und eine faire Marktteilnahme sicherzustellen.

ApoG § 11 Abs. 1a

Der § 11 Abs. 1a ApoG thematisiert das unzulässige Rezeptmakeln, also das gewerbsmäßige Sammeln und Weiterleiten von Verschreibungen an Apotheken gegen eine Gegenleistung. Diese Praxis ist untersagt, weil sie die Wahlfreiheit der Patienten bei der Apothekenwahl und die sichere, flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährden könnte. Der Gesetzgeber sieht hier einen klaren Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Apotheken vor.

Details zur Vorteilsgewährung

Ein zentraler Punkt ist, dass ein Vorteil nur dann als unzulässig gilt, wenn er direkt damit zusammenhängt, dass ein Dritter verschreibungspflichtige Rezepte sammelt oder weiterleitet. Dies könnte in der Praxis beispielsweise der Fall sein, wenn ein Internet-Marktplatz Apotheken gegen eine Gebühr die Möglichkeit gibt, Rezepte entgegenzunehmen und zu bearbeiten, wodurch die Marktplatzbetreiber indirekt Einfluss auf die Apothekenwahl nehmen.

Schutzzweckrelevanter Zusammenhang

Für die Anwendung des § 11 Abs. 1a ApoG ist es wichtig, dass ein schutzzweckrelevanter Zusammenhang besteht. Das bedeutet, dass die Art der Vorteilsgewährung geeignet sein muss, die freie Wahl der Apotheke durch die Patienten zu beeinflussen oder die Versorgungssicherheit zu gefährden. Dies stellt sicher, dass die Regelung nicht in unverhältnismäßiger Weise angewendet wird, sondern nur in Fällen, die tatsächlich das Ziel des Gesetzes betreffen.

SGB V § 360

Der § 360 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) regelt die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelversorgung im deutschen Gesundheitssystem. Er enthält Bestimmungen zur Abrechnung, zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln und zu den Pflichten der Krankenkassen und Apotheken. Diese Norm ist zentral für die Sicherstellung einer effizienten und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung, indem sie klare Vorgaben für die Zusammenarbeit zwischen den Apotheken und den Krankenkassen macht.

Abrechnungsmodalitäten

Ein wichtiger Aspekt des § 360 SGB V ist die Festlegung der Abrechnungsmodalitäten zwischen Apotheken und den gesetzlichen Krankenkassen. Diese sollen sicherstellen, dass die Apotheken für ihre Leistungen angemessen vergütet werden, ohne dass es zu übermäßigen Kosten für das Gesundheitssystem kommt.

Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln

Ein weiterer Punkt ist die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln. Hierbei wird geregelt, welche Medikamente von den Krankenkassen übernommen werden und welche nicht. Dies ist entscheidend für die wirtschaftliche Planung der Apotheken und die Versorgung der Patienten.

SGB V § 361a

Der § 361a SGB V ergänzt die Bestimmungen zur Arzneimittelversorgung und legt zusätzliche Anforderungen an die Qualität und Sicherheit der Versorgung fest. Dabei geht es insbesondere um die Einhaltung von Sicherheitsstandards und die Qualität der Abgabe von Arzneimitteln durch die Apotheken. Diese Normen dienen dem Schutz der Patienten und der Sicherstellung einer hohen Versorgungsqualität.

Sicherheitsstandards

Sicherheitsstandards umfassen die Anforderungen an die Lagerung, Handhabung und Abgabe von Arzneimitteln. Apotheken müssen sicherstellen, dass diese Standards jederzeit eingehalten werden, um die Gesundheit der Patienten nicht zu gefährden.

Qualitätsanforderungen

Die Qualitätsanforderungen beziehen sich auf die Beratung der Patienten, die Dokumentation der Abgabe und die Sicherstellung der Verfügbarkeit von wichtigen Medikamenten. Diese Anforderungen tragen dazu bei, dass die Patienten stets die bestmögliche Versorgung erhalten.

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Aktenzeichen I ZR 46 24 Entscheidungsgrundlage

Anwendung der Rechtsnorm

Grundsatzinterpretation

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall I ZR 46/24 stützt sich maßgeblich auf die Interpretation des § 11 Abs. 1a ApoG. Diese Bestimmung verbietet das sogenannte Rezeptmakeln, das dann vorliegt, wenn ein Dritter einen Vorteil dafür fordert, verspricht oder annimmt, um Verschreibungen zu sammeln, zu vermitteln oder weiterzuleiten. Der BGH stellte klar, dass ein schutzzweckrelevanter Zusammenhang zwischen der Gewährung eines Vorteils und der Gefährdung der Apothekenwahlfreiheit der Versicherten bestehen muss. Das bedeutet, dass die Art der Vorteilsgewährung geeignet sein muss, die freie Wahl der Apotheke oder die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch wohnortnahe Apotheken zu beeinträchtigen.

Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die von der Klägerin erhobene Nutzungsgebühr für den Internet-Marktplatz, die unabhängig von der Anzahl der Transaktionen oder dem Umsatz ist, als ein solcher unzulässiger Vorteil interpretiert werden kann. Der BGH entschied, dass eine pauschale Gebühr grundsätzlich nicht gegen das Verbot des Rezeptmakelns verstößt, sofern keine Anhaltspunkte für eine verdeckte Erfolgsprovision bestehen. Eine solche wäre gegeben, wenn die Gebühr im Verhältnis zum Leistungsumfang überhöht wäre und damit die Apothekenwahlfreiheit beeinträchtigen könnte.

Ausnahmeinterpretation

Der BGH stellte zudem klar, dass die Ausnahme von der Grundsatzinterpretation dann greift, wenn die Vergütung als verdeckte Erfolgsprovision angesehen werden kann. Eine verdeckte Erfolgsprovision liegt dann vor, wenn die geforderte Vergütung in keinem angemessenen Verhältnis zu dem gebotenen Leistungsumfang steht und ein Verdacht besteht, dass die Vergütung letztlich für das Sammeln, Vermitteln oder Weiterleiten von Rezepten gezahlt wird. Im Fall I ZR 46/24 wurden jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine solche verdeckte Erfolgsprovision gefunden. Daher blieb es bei der grundsätzlichen Wertung, dass die Nutzungsgebühr nicht als unzulässiges Rezeptmakeln zu qualifizieren ist.

Ein weiteres Kriterium für die Ausnahmeinterpretation ist die Abhängigkeit einer Vergütung von dem erzielten Umsatz oder Gewinn einer Apotheke. Gemäß § 8 Satz 2 ApoG ist eine solche Ausrichtung nur dann kritisch, wenn der gesamte Umsatz oder Gewinn der Apotheke zu wesentlichen Teilen auf den Geschäften über den Internet-Marktplatz beruht. In der vorliegenden Konstellation war dies nicht der Fall, weshalb die Ausnahmeinterpretation hier nicht zur Anwendung kam.

Urteilsbegründung

Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die erhobene Nutzungsgebühr für die Bereitstellung des Internet-Marktplatzes nicht im schutzzweckrelevanten Zusammenhang mit einem unzulässigen Vorteil im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG steht. Die pauschale Gebühr war nicht abhängig von der Anzahl der Transaktionen oder dem Umsatz der Apotheken, was darauf schließen lässt, dass sie nicht für das Sammeln oder Vermitteln von E-Rezepten gezahlt wurde. Diese Unabhängigkeit von Umsatz und Transaktionszahl war ein wesentlicher Faktor in der Urteilsfindung, da sie den Verdacht eines unzulässigen Vorteils entkräftete.

Weiterhin berücksichtigte der BGH, dass keine überhöhte Vergütung im Verhältnis zum Leistungsumfang festgestellt werden konnte. Der Internet-Marktplatz bot eine Plattform für Apotheken, die jedoch nicht ausschließlich auf rezeptpflichtige Arzneimittel beschränkt war. Dies unterstrich die Vielseitigkeit des Angebots und die fehlende Spezialisierung auf das Vermitteln von Verschreibungen. Daher sah das Gericht keine Gefährdung der Apothekenwahlfreiheit oder der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch die Gebührenstruktur des Marktplatzes.

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Ähnliche Urteile

BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – I ZR 222/15

Sachverhalt

Das Urteil betraf einen Fall, in dem ein Unternehmen Rabatte für die Vermittlung von Rezepten an Apotheken versprach. Das Unternehmen handelte als Vermittler zwischen Ärzten und Apotheken und bot den Ärzten finanzielle Anreize, Rezepte über ihre Plattform an bestimmte Apotheken weiterzuleiten. Der Kläger (eine Apotheke) sah darin eine unlautere Wettbewerbspraktik und klagte auf Unterlassung.

Urteil

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Praxis des Unternehmens gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt. Das Gericht stellte fest, dass die Gewährung von Rabatten für die Rezeptvermittlung die freie Wahl der Apotheke durch den Patienten beeinflusst und somit unzulässig ist.

Unterschiede

Der Hauptunterschied zum Fall I ZR 46/24 liegt darin, dass es hier um finanzielle Anreize für Ärzte ging, während der aktuelle Fall sich auf die Gebührenstruktur für Apotheken bei der Nutzung eines Internetmarktplatzes konzentriert. Beide Fälle behandeln jedoch die Beeinflussung der Apothekenwahl, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen.

BGH, Urteil vom 29. September 2016 – I ZR 34/15

Sachverhalt

In diesem Fall bot ein Unternehmen an, Rezepte zu sammeln und an Apotheken zu vermitteln, wobei den Apotheken eine Gebühr pro vermitteltem Rezept berechnet wurde. Der Kläger, ein Wettbewerber, argumentierte, dass dies eine unzulässige Beeinflussung der Apothekenwahl darstelle und klagte auf Unterlassung.

Urteil

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die Praxis des Unternehmens die freie Apothekenwahl der Patienten einschränkt und somit gegen das Apothekengesetz verstößt. Die Gebühr pro Rezept vermittelte einen Anreiz, der die Entscheidung der Patienten beeinflusste.

Unterschiede

Während im Fall I ZR 34/15 die Gebühr pro Rezept als Anreiz diente, behandelt der Fall I ZR 46/24 eine monatliche Nutzungsgebühr, die unabhängig von der Anzahl der Transaktionen ist. Beide Urteile betonen jedoch den Schutz der freien Apothekenwahl.

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Sachverhalt

Ein Online-Dienstleister bot Apotheken eine Plattform, auf der sie verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept verkaufen konnten. Der Kläger, eine Apothekerkammer, klagte, dass dies gegen die Vorschriften zur Arzneimittelabgabe verstieß.

Urteil

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente ohne gültiges Rezept gegen das Arzneimittelgesetz verstößt. Die Plattform durfte daher nicht weiter betrieben werden.

Unterschiede

Während der Fall I ZR 201/17 die unzulässige Abgabe von Medikamenten ohne Rezept betraf, konzentriert sich der Fall I ZR 46/24 auf die Gebührenstruktur für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Medikamente. Beide Fälle berühren jedoch die Regelungen zur Arzneimittelversorgung.

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Sachverhalt

Hierbei ging es um eine Plattform, die Rabatte für die Bestellungen von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten bei bestimmten Apotheken versprach. Ein Wettbewerber klagte, dass diese Praxis den Wettbewerb unlauter beeinflusst.

Urteil

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Unterschiede

Der Fall I ZR 215/18 behandelt Rabatte für Endkunden, während der Fall I ZR 46/24 die Gebühren der Apotheken für die Nutzung einer Plattform betrifft. Beide Urteile unterstreichen jedoch die Bedeutung des Schutzes der Entscheidungsfreiheit im Gesundheitssektor.

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FAQ

Was ist Rezeptmakeln

Rezeptmakeln bezeichnet das unzulässige Sammeln und Weiterleiten von Verschreibungen an Apotheken gegen einen Vorteil. Es gefährdet die Wahlfreiheit der Patienten und die flächendeckende Versorgung.

Wie wird Vergütung bemessen

Die Vergütung wird bemessen, indem geprüft wird, ob sie unabhängig von Umsatz oder Gewinn der Apotheke ist. Erfolgsprovisionen sind unzulässig, wenn sie überhöht sind.

Was sind E-Rezepte

E-Rezepte sind elektronische Verschreibungen, die von Ärzten ausgestellt und über digitale Plattformen direkt in Apotheken eingelöst werden können.

Wann ist Vermittlung unzulässig

Die Vermittlung ist unzulässig, wenn ein Vorteil für das Sammeln, Weiterleiten oder Vermitteln von Verschreibungen gewährt wird und die Apothekenwahl gefährdet.

Welche Rolle spielt ApoG

Das ApoG regelt die Rahmenbedingungen für Apotheken, insbesondere im Hinblick auf die Gewährung von Vermögenswerten und die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung.

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