Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, dass ein rechtliches Verfahren gegen Sie unfair verlaufen ist oder wichtige Details übersehen wurden? Viele Menschen stehen vor ähnlichen Herausforderungen, wenn es um komplexe rechtliche Angelegenheiten geht. In solchen Fällen kann ein Blick auf entscheidende Gerichtsurteile, wie das des Bundesgerichtshofs in der Sache 1 StR 130/99, wertvolle Einblicke und Lösungen bieten.
1 StR 130/99 Schwerer Raub und Versuch
Fallübersicht
Konkrete Umstände
Im Jahr 1998 wurde ein Angeklagter vom Landgericht München II wegen schweren Raubes und versuchten schweren Raubes verurteilt. Die Taten umfassten einen bewaffneten Banküberfall und einen entsprechenden Versuch, die beide 1986 in Süddeutschland stattfanden. Das Gericht verhängte eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung (eine präventive Maßnahme zur Sicherung der Allgemeinheit durch Inhaftierung über die eigentliche Strafzeit hinaus).
Ansprüche des Klägers (Verurteilter)
Der Verurteilte, der als Kläger auftritt, argumentiert, dass er gegen den auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatz verstoßen wurde. Er wurde aus Frankreich, über Österreich, nach Deutschland ausgeliefert, jedoch ohne Hinweis auf die Sicherungsverwahrung im Auslieferungsbeschluss. Der Kläger behauptet, Frankreich hätte die Auslieferung nicht bewilligt, wenn dies im Auslieferungsbeschluss gestanden hätte, da Frankreich die entsprechende Regelung abgeschafft hat.
Ansprüche des Beklagten (Staat)
Der Staat, hier als Beklagter, vertritt den Standpunkt, dass die Verurteilung ausschließlich für die im deutschen Rechtshilfeersuchen genannten Taten erfolgte. Es wurden keine Bedingungen von den ersuchten Staaten Frankreich oder Österreich an die Rechtshilfe geknüpft, die eine solche Verurteilung ausschließen würden. Der allgemeine französische Vorbehalt im Europäischen Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) findet in diesem Fall keine Anwendung, da die angeordnete Sicherungsverwahrung eine Maßregel der Sicherung und Besserung darstellt und somit keine “schwereren Strafen” drohen.
Urteilsergebnis
Der Staat hat den Fall gewonnen. Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Nachholung rechtlichen Gehörs wurde abgelehnt. Das Gericht entschied, dass kein Verstoß gegen den auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatz vorliegt und die Verurteilung rechtmäßig ist. Folglich muss der Verurteilte die verhängte Strafe einschließlich der Sicherungsverwahrung akzeptieren.
Professor will Anwalt werden aber Beamtenstatus steht im Weg (AnwZ (B) 58/99) 👆1 StR 130/99 Relevante Gesetzesartikel
§ 66 StGB
§ 66 des Strafgesetzbuches (StGB) behandelt die Sicherungsverwahrung. Diese Maßnahme kann angeordnet werden, wenn jemand wegen einer schwerwiegenden Straftat verurteilt wurde und aufgrund seiner Persönlichkeit oder der Art seiner Tat eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. In diesem Fall wurde die Sicherungsverwahrung vom Landgericht München II angeordnet, was der Verurteilte später als unrechtmäßig empfand, da Frankreich, der ausliefernde Staat, nicht über diese Möglichkeit informiert war.
§ 44 StPO
§ 44 der Strafprozessordnung (StPO) befasst sich mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dies bedeutet, dass ein Verfahren wieder aufgenommen werden kann, wenn eine Partei ohne eigenes Verschulden eine Frist versäumt hat. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt, da der Verurteilte keine Frist versäumt hatte und die Wiedereinsetzung nicht dazu verwendet werden kann, neue Tatsachen nachträglich vorzubringen.
§ 33a StPO
Gemäß § 33a StPO kann ein Gericht eine Entscheidung ändern, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Der Verurteilte argumentierte, dass er nicht ordnungsgemäß gehört wurde, da der Aspekt der Sicherungsverwahrung im ursprünglichen Verfahren nicht zur Sprache kam. Der Bundesgerichtshof kam jedoch zu dem Schluss, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt wurde, da keine neuen Tatsachen oder Beweisergebnisse vorlagen, die ungehört geblieben waren.
Art. 25 EuAlÜbk
Der Artikel 25 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EuAlÜbk) definiert die Freiheitsbeschränkungen und Sicherungsmaßnahmen, die bei einer Auslieferung relevant sind. Der Verurteilte berief sich auf den allgemeinen Vorbehalt Frankreichs, der besagt, dass Frankreich die Auslieferung ablehnen kann, wenn die drohenden Strafen nicht im französischen Strafenkatalog vorgesehen sind. Der Bundesgerichtshof stellte jedoch fest, dass die Sicherungsverwahrung als Maßregel der Sicherung und Besserung im Sinne des Übereinkommens gilt und somit der Vorbehalt nicht greift.
Verpasste Frist und unbezahlte Rechnungen sorgen für Spannung (1 StR 391/00) 👆1 StR 130/99 Entscheidungsgrundlagen
Grundsätzliche Auslegung
§ 66 StGB
§ 66 StGB betrifft die Sicherungsverwahrung (präventive Haftmaßnahme zur Sicherung der Allgemeinheit). Grundsätzlich wird diese Maßnahme für Täter angeordnet, die als besonders gefährlich gelten und bei denen eine Wiederholungsgefahr besteht.
§ 44 StPO
§ 44 StPO regelt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Möglichkeit, eine versäumte Frist nachträglich zu wahren). Diese ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Betroffene unverschuldet an der Einhaltung der Frist gehindert war.
§ 33a StPO
§ 33a StPO ermöglicht die Nachholung des rechtlichen Gehörs (Recht eines Betroffenen, vor einer Entscheidung gehört zu werden). Grundsätzlich kann eine Entscheidung nur dann aufgehoben werden, wenn der Betroffene keine Gelegenheit hatte, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Art. 25 EuAlÜbk
Art. 25 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EuAlÜbk) behandelt die Spezialität (Prinzip, dass eine ausgelieferte Person nur wegen der Taten verfolgt werden darf, für die sie ausgeliefert wurde). Grundsätzlich darf eine Auslieferung nur dann erfolgen, wenn die drohenden Strafen auch im ersuchenden Staat vorgesehen sind.
Ausnahmeauslegung
§ 66 StGB
In Ausnahmefällen, z.B. bei rechtlichen Hindernissen im Auslieferungsprozess, könnte die Sicherungsverwahrung anders interpretiert werden. Dies könnte passieren, wenn der ersuchte Staat (z.B. Frankreich) bestimmte Bedingungen an die Auslieferung knüpft.
§ 44 StPO
Eine Ausnahme von der Regel der Wiedereinsetzung könnte in Frage kommen, wenn neue Tatsachen auftreten, die den ursprünglichen Prozess entscheidend beeinflusst hätten, obwohl keine Frist versäumt wurde.
§ 33a StPO
Eine Ausnahme bei der Nachholung des rechtlichen Gehörs könnte darin bestehen, dass neue, wesentliche Beweise erst nachträglich bekannt werden und nicht in der ursprünglichen Verhandlung berücksichtigt wurden.
Art. 25 EuAlÜbk
Eine Ausnahme bei der Spezialität könnte gemacht werden, wenn der ersuchte Staat explizit auf bestimmte Vorbehalte verzichtet oder diese anders interpretiert.
Angewandte Auslegung
In diesem Fall wurde die grundsätzliche Auslegung der relevanten Paragrafen angewandt. Der Bundesgerichtshof sah keine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder des Spezialitätsgrundsatzes. Die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) wurde als Maßregel der Sicherung und Besserung anerkannt, die im Einklang mit Art. 25 EuAlÜbk steht. Der Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 44 StPO) wurde als unzulässig betrachtet, da keine Frist versäumt wurde und keine neuen entscheidenden Umstände vorlagen. Auch die Nachholung des rechtlichen Gehörs (§ 33a StPO) war nicht erforderlich, da der Betroffene bereits Gelegenheit hatte, sich zu den Tatsachen zu äußern. Die Entscheidung beruht somit auf einer strikten Anwendung der gesetzlichen Regelungen ohne Ausnahmen.
Abfindung für Bauern trotz Rechtsbeschwerde? (BLw 16/00) 👆Spezialitätsgrundsatz Lösungsmethoden
1 StR 130/99 Lösungsmethoden
In diesem Fall hat der Antragsteller versucht, den Spezialitätsgrundsatz geltend zu machen. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass kein Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt, da keine Frist versäumt wurde. Der Fall zeigt, dass der Weg über das gerichtliche Verfahren nicht immer zum Erfolg führt, wenn die rechtlichen Grundlagen klar gegen den Antragsteller sprechen. In solchen Fällen wäre es sinnvoller gewesen, von Anfang an die Aussichten realistisch einzuschätzen und möglicherweise alternative Lösungswege in Erwägung zu ziehen, wie etwa eine umfassendere Analyse der Auslieferungsbedingungen und die frühzeitige Einholung von Rechtsrat, um die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags besser beurteilen zu können.
Ähnliche Fälle Lösungsmethoden
Auslieferung ohne Sicherungsverwahrung
Angenommen, eine Person wird ausgeliefert, und die Sicherungsverwahrung wird im Auslieferungsantrag nicht erwähnt. In diesem Fall könnte der Betroffene in Erwägung ziehen, vor dem Verfahren rechtlichen Beistand zu suchen, um die Bedingungen der Auslieferung genau zu prüfen. Ein Anwalt könnte hier helfen, die Argumentation für das rechtliche Gehör zu stärken.
Auslieferung mit anderen Bedingungen
Wenn eine Auslieferung mit spezifischen Bedingungen wie einer Begrenzung der Strafe erfolgt ist, wäre es ratsam, diese Bedingungen klar zu dokumentieren. Sollte es zu einem Prozess kommen, wäre es von Vorteil, diese Dokumentation vorzulegen und möglicherweise eine gerichtliche Überprüfung der Einhaltung dieser Bedingungen zu beantragen.
Fehlende Erwähnung im Haftbefehl
Fehlt im Haftbefehl ein Hinweis auf Sicherungsverwahrung, könnte der Betroffene versuchen, dies im Rahmen eines Rechtsmittels geltend zu machen. Hierbei wäre es aber wichtig, rechtzeitig und umfassend mit einem Anwalt zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass alle relevanten Dokumente und Argumente zum richtigen Zeitpunkt vorgelegt werden.
Rechtsmittel wegen neuer Umstände
Treten nach der Verurteilung neue Umstände auf, die bei der ursprünglichen Verhandlung nicht berücksichtigt wurden, könnte der Betroffene in Erwägung ziehen, ein Wiederaufnahmeverfahren zu beantragen. Dies sollte jedoch nur nach gründlicher Beratung mit einem Fachanwalt erfolgen, um die Erfolgsaussichten und die notwendigen Schritte genau zu verstehen.
Notarstelle bleibt unbesetzt Was steckt dahinter (NotZ 2/00) 👆FAQ
Was ist schwerer Raub
Schwerer Raub ist eine Straftat, bei der Gewalt oder Drohungen mit Gewalt eingesetzt werden, um Eigentum zu stehlen. Diese Tat wird schwerer bewertet, wenn Waffen verwendet oder Menschen verletzt werden.
Wie funktioniert Auslieferung
Auslieferung ist ein rechtlicher Vorgang, bei dem ein Staat eine Person an einen anderen Staat übergibt, damit diese Person dort wegen Straftaten strafrechtlich verfolgt oder bestraft wird.
Was ist Sicherungsverwahrung
Die Sicherungsverwahrung ist eine Maßnahme, die über die Freiheitsstrafe hinausgeht. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern, die nach Verbüßung ihrer Strafe weiterhin gefährlich sind.
Wie erfolgt die Revision
Eine Revision ist ein Rechtsmittel, bei dem ein Urteil von einem höheren Gericht auf Rechtsfehler überprüft wird. Sie kann nur auf bestimmte Gründe gestützt werden, etwa Verfahrensfehler oder falsche Rechtsanwendung.
Was ist der Spezialitätsgrundsatz
Der Spezialitätsgrundsatz besagt, dass eine ausgelieferte Person nur für die Straftaten verfolgt werden darf, für die sie tatsächlich ausgeliefert wurde. Neue Anklagen bedürfen der Zustimmung des ausliefernden Staates.
Wann ist Wiedereinsetzung möglich
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist möglich, wenn eine Frist versäumt wurde, ohne eigenes Verschulden. Der Antragsteller muss glaubhaft machen, dass er die Frist unverschuldet nicht einhalten konnte.
Was sind Maßregeln der Besserung
Maßregeln der Besserung und Sicherung sind gerichtliche Anordnungen, die nicht der Bestrafung, sondern der Prävention dienen. Dazu gehören z.B. die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt oder die Entziehungskur.
Welche Rolle spielt Frankreich
Frankreich spielt eine Rolle in diesem Fall, weil der Angeklagte von dort nach Deutschland ausgeliefert wurde. Der französische Vorbehalt im EuAlÜbk könnte die Bedingungen der Auslieferung betreffen.
Wie wird rechtliches Gehör gewahrt
Rechtliches Gehör bedeutet, dass alle Parteien in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit haben müssen, ihre Argumente und Beweise vorzutragen und auf die Argumente der Gegenseite zu reagieren.
Was ist das EuAlÜbk
Das EuAlÜbk, das Europäische Auslieferungsübereinkommen, regelt die Bedingungen und Verfahren der Auslieferung zwischen den Vertragsstaaten. Ziel ist es, die grenzüberschreitende strafrechtliche Zusammenarbeit zu erleichtern.
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