Notar im Zwiespalt: Aufsichtsrat oder Unabhängigkeit? (NotZ 14/00)

Haben Sie sich jemals gefragt, ob Ihre Nebentätigkeit Ihre berufliche Unabhängigkeit gefährden könnte? Viele Menschen stehen vor dem Dilemma, dass eine zusätzliche Tätigkeit möglicherweise mit ihrem Hauptberuf in Konflikt steht. Ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs bietet jedoch eine Lösung und zeigt, wie man solche Konflikte vermeiden kann; lesen Sie weiter, um mehr über diesen wichtigen Fall zu erfahren.

NotZ 14/00 Genehmigung Nebentätigkeit

Fallübersicht

Konkrete Situation

Ein Notar, der seit 1967 auch als Rechtsanwalt tätig ist, wurde 1999 in den Aufsichtsrat einer Volksbank gewählt. Diese Bank beschäftigt sich gemäß ihrer Satzung unter anderem mit der Vermittlung und dem Verkauf von Immobilien. Der Notar beantragte eine Genehmigung für diese Nebentätigkeit, da er Bedenken hatte, dass seine neue Position im Aufsichtsrat seine Unabhängigkeit als Notar beeinträchtigen könnte.

Antragsteller (Notar und Rechtsanwalt)

Der Antragsteller, der in der Stadt H. als Notar tätig ist, argumentiert, dass seine Tätigkeit im Aufsichtsrat der Volksbank keinen wesentlichen Interessenkonflikt darstelle, da die Immobiliengeschäfte nicht der Hauptzweck der Bank seien. Er betont, dass er seine Aufgaben als Notar unabhängig und unparteiisch erfüllen kann.

Antragsgegnerin (Aufsichtsbehörde)

Die Aufsichtsbehörde, die über die Genehmigung der Nebentätigkeit entscheidet, lehnt den Antrag ab. Sie argumentiert, dass die Tätigkeit im Aufsichtsrat das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars gefährden könnte. Die Behörde ist der Meinung, dass schon der Anschein eines Interessenkonflikts vermieden werden muss, um die Integrität des Notaramts zu wahren.

Entscheidungsergebnis

Die Aufsichtsbehörde hat den Fall gewonnen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Tätigkeit des Notars im Aufsichtsrat der Volksbank das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden könnte, und wies den Antrag des Notars auf erneute Entscheidung zurück. Der Notar muss die Kosten des Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens tragen, während keine außergerichtlichen Auslagen erstattet werden.

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NotZ 14/00 Relevante Rechtsnormen

§ 8 Abs. 3 BNotO

§ 8 Abs. 3 der Bundesnotarordnung (BNotO) regelt die Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten von Notaren. Diese Vorschrift ist entscheidend, da sie bestimmt, dass eine Genehmigung versagt werden muss, wenn die Nebentätigkeit mit dem öffentlichen Amt des Notars nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit oder Überparteilichkeit gefährden kann. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass Notare in ihrer Amtsausübung unabhängig und unparteiisch bleiben. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu beachten, dass bereits der Anschein einer möglichen Interessenkonfliktsituation ausreicht, um eine Genehmigung zu verweigern.

§ 14 Abs. 4 BNotO

Gemäß § 14 Abs. 4 BNotO ist es Notaren untersagt, bestimmte Tätigkeiten, wie die Vermittlung von Grundstücksgeschäften, auszuüben. Dieses Verbot soll verhindern, dass Notare durch solche Tätigkeiten in Interessenkonflikte geraten, die ihre Unparteilichkeit gefährden könnten. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass Notare nicht durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst werden und ihre Amtsgeschäfte stets neutral ausführen können. Die Vorschrift dient also dem Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Integrität des Notaramts.

§ 111 Abs. 4 BNotO

§ 111 Abs. 4 BNotO gibt die Möglichkeit zur sofortigen Beschwerde in notariellen Angelegenheiten. Diese Regelung ist wichtig, um eine schnelle gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen der Aufsichtsbehörde zu ermöglichen. Sie stellt sicher, dass Notare zügig Rechtssicherheit erlangen können, wenn es um die Genehmigung von Nebentätigkeiten geht. Die Vorschrift hat in diesem Fall den Verfahrensweg bestimmt und die Grundlage für die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde gelegt.

§ 42 Abs. 4 BRAO

Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) enthält in § 42 Abs. 4 Regelungen zur Beschwerde gegen Entscheidungen der Anwaltsgerichte. Diese Vorschrift ist relevant für die Verfahrensführung und die Überprüfung von Entscheidungen im notariellen Bereich. Sie sorgt dafür, dass der Rechtsschutz in diesen Verfahren umfassend gewährleistet ist und Notare die Möglichkeit haben, sich gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörden zu wehren.

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NotZ 14/00 Entscheidungsmaßstab

Grundsätzliche Auslegung

§ 8 Abs. 3 BNotO

Gemäß § 8 Abs. 3 der Bundesnotarordnung (BNotO) liegt die Entscheidung über die Genehmigung einer Nebentätigkeit im Ermessen der Aufsichtsbehörde. Dieses Ermessen ist jedoch durch den Gesetzeszusatz eingeschränkt, der besagt, dass die Genehmigung zu versagen ist, wenn die Nebentätigkeit mit dem öffentlichen Amt des Notars unvereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.

§ 14 Abs. 4 BNotO

§ 14 Abs. 4 BNotO untersagt Notaren explizit, Grundstücksgeschäfte zu vermitteln. Dieses Verbot dient dazu, Interessenkonflikte zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn ein Notar sowohl als Amtsträger als auch als Vermittler auftritt und dadurch möglicherweise ein finanzielles Interesse an der Beurkundung eines Geschäfts hat.

§ 111 Abs. 4 BNotO

Diese Vorschrift regelt das Verfahren der sofortigen Beschwerde im Bereich der Notarangelegenheiten. Es ermöglicht eine schnelle gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen der Aufsichtsbehörde, um sicherzustellen, dass das Ermessen korrekt ausgeübt wurde und keine Rechtsfehler vorliegen.

§ 42 Abs. 4 BRAO

Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ergänzt die BNotO und stellt sicher, dass ähnliche Prinzipien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit auch für Rechtsanwälte gelten, die als Notare tätig sind. Die Vorschrift sorgt dafür, dass gerichtliche Überprüfungen auch hier möglich sind.

Ausnahmeinterpretation

§ 8 Abs. 3 BNotO

In Ausnahmefällen könnte die Genehmigung einer Nebentätigkeit mit Auflagen versehen werden, um eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Notars zu minimieren. Solche Auflagen könnten z.B. Tätigkeitsverbote für bestimmte Geschäfte umfassen.

§ 14 Abs. 4 BNotO

Eine Ausnahme von dem Verbot der Vermittlung von Grundstücksgeschäften wäre nur denkbar, wenn die Tätigkeit des Notars keinerlei Einfluss auf seine Unabhängigkeit oder den Anschein der Unparteilichkeit hätte. Solche Fälle sind jedoch selten und bedürfen einer strengen Prüfung.

§ 111 Abs. 4 BNotO

Ausnahmsweise könnte eine Beschwerde auch dann zugelassen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweise vorliegen, die bei der ursprünglichen Entscheidung nicht berücksichtigt wurden. Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn sich die Geschäftstätigkeit der betreffenden Bank unerwartet ändert.

§ 42 Abs. 4 BRAO

Auch hier könnten Ausnahmen zugelassen werden, wenn spezielle Umstände vorliegen, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Die Ausnahmeanwendung würde jedoch strengen rechtlichen Standards unterliegen, um den Schutz der Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Angewandte Auslegung

Im vorliegenden Fall wurde die grundsätzliche Auslegung von § 8 Abs. 3 BNotO angewandt. Die Antragsgegnerin und der Bundesgerichtshof kamen zu dem Schluss, dass die Nebentätigkeit im Aufsichtsrat der Volksbank H. eG das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars gefährden könnte. Aufgrund der satzungsgemäßen Aufgaben der Volksbank, die auch Grundstücksgeschäfte umfassen, wäre jede Form der Auflagenerteilung unzureichend gewesen, um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden. Daher wurde die Genehmigung der Nebentätigkeit verwehrt.

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Genehmigung Nebentätigkeit Lösungsmethoden

NotZ 14/00 Lösungsmethoden

In dem vorliegenden Fall hat der Antragsteller verloren, da die Nebentätigkeit als Aufsichtsratsmitglied bei einer Kreditgenossenschaft, die sich auch mit Grundstücksgeschäften befasst, das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Notars gefährden kann. Somit war der Klageweg in diesem Fall nicht erfolgreich und auch nicht der richtige Weg. Stattdessen wäre es ratsam gewesen, im Vorfeld eine eingehende Prüfung der Satzung der Volksbank durchzuführen und möglicherweise von der Übernahme der Position Abstand zu nehmen, um rechtliche Komplikationen zu vermeiden. Ein Beratungsgespräch mit einem spezialisierten Anwalt für Notarrecht wäre hier empfehlenswert gewesen, um die Erfolgsaussichten und Risiken eines solchen Antrags besser abschätzen zu können.

Ähnliche Fälle Lösungsmethoden

Notar im Aufsichtsrat ohne Grundstücksgeschäfte

Wenn ein Notar in den Aufsichtsrat eines Unternehmens eintreten möchte, das sich nicht mit Grundstücksgeschäften befasst, könnte der Antrag auf Genehmigung erfolgreicher sein. In diesem Fall wäre es sinnvoll, vorab eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die Vereinbarkeit der Tätigkeit mit dem Notaramt zu prüfen. Sollte die Aufsichtsbehörde dennoch ablehnen, könnte ein Widerspruch oder eine Klage in Erwägung gezogen werden, wobei die Unterstützung eines Anwalts von Vorteil wäre.

Teilzeitbeschäftigung bei nicht konkurrierendem Unternehmen

Plant ein Notar eine Teilzeitbeschäftigung in einem Unternehmen, das nicht im direkten Wettbewerb mit seiner notariellen Tätigkeit steht, ist die Aussicht auf Genehmigung höher. Hier könnte eine direkte Kommunikation mit der Aufsichtsbehörde zur Klärung von Fragen und Bedenken führen. Falls die Genehmigung dennoch verweigert wird, sollte erwogen werden, ob eine gerichtliche Auseinandersetzung sinnvoll ist oder ob eine alternative Nebentätigkeit gesucht werden sollte.

Aufsichtsratstätigkeit mit klarer Aufgabentrennung

Bei einer Aufsichtsratstätigkeit, bei der eine klare Abgrenzung von den notariellen Aufgaben möglich ist, könnte eine Genehmigung eher erteilt werden. Der Notar sollte sicherstellen, dass keine Interessenkonflikte auftreten können. Eine vorherige rechtliche Beratung und eine schriftliche Bestätigung der Aufgabentrennung durch das Unternehmen wären hier ratsam. Sollte es zu einer Ablehnung kommen, könnte ein erneuter Antrag mit zusätzlichen Sicherheiten oder der Gang zum Verwaltungsgericht in Betracht gezogen werden.

Nebentätigkeit mit strengen Auflagen

Wenn eine Nebentätigkeit nur mit strengen Auflagen genehmigungsfähig ist, sollte der Notar diese Bedingungen sorgfältig abwägen. Eine direkte Verhandlung mit der Aufsichtsbehörde über die Formulierung der Auflagen kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Sollte die Behörde dennoch keine Genehmigung erteilen, könnte ein Gespräch zur Klärung der Bedingungen oder eine gerichtliche Überprüfung der Auflagen sinnvoll sein. Ein Anwalt kann hierbei wertvolle Unterstützung bieten, um die Erfolgsaussichten zu verbessern.

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FAQ

Genehmigungsvoraussetzungen?

Die Genehmigung einer Nebentätigkeit muss versagt werden, wenn sie nicht mit dem Amt des Notars vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.

Was ist eine Nebentätigkeit?

Eine Nebentätigkeit ist jede berufliche Tätigkeit, die zusätzlich zur Haupttätigkeit als Notar ausgeübt wird und genehmigungspflichtig sein kann.

Wer entscheidet über Genehmigungen?

Die Aufsichtsbehörde entscheidet im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens über die Genehmigung von Nebentätigkeiten.

Welche Auflagen sind möglich?

Genehmigungen können mit Auflagen verbunden werden, wie z.B. Tätigkeitsverbote in bestimmten Bereichen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Gibt es Ausnahmen?

Ausnahmen sind nicht vorgesehen, wenn die Nebentätigkeit das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Notars gefährden kann.

Was ist bei Interessenkonflikten?

Interessenkonflikte müssen vermieden werden, da sie das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notars beeinträchtigen könnten.

Können Entscheidungen angefochten werden?

Ja, Entscheidungen der Aufsichtsbehörde können gerichtlich überprüft werden, insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen.

Welche Rolle spielt die Satzung?

Die Satzung eines Unternehmens ist entscheidend, da sie den Geschäftszweck festlegt und damit potenzielle Interessenkonflikte beeinflusst.

Wie werden Rechtsnormen angewandt?

Rechtsnormen werden entsprechend ihres Wortlauts und der Rechtsprechung angewandt, wobei unbestimmte Begriffe gerichtlicher Nachprüfung unterliegen.

Was sind unbestimmte Rechtsbegriffe?

Unbestimmte Rechtsbegriffe sind rechtliche Formulierungen, deren Auslegung im Einzelfall durch Gerichte geprüft werden kann.

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