In der komplexen Welt des internationalen Online-Glücksspiels stoßen viele Spieler auf rechtliche Herausforderungen, wenn es um die Rückforderung verlorener Einsätze geht. Interessiert daran, wie Gerichte solche Fälle entscheiden? Ein Blick auf ein aktuelles Urteil bietet spannende Einblicke und mögliche Lösungen.
I ZB 39/24 Situation

Sachverhalt
Die Klägerin, eine Privatperson, erhob Klage gegen die in Malta ansässige Beklagte, ein Online-Casino. Sie forderte die Rückerstattung ihrer Spieleinsätze, die sie zwischen Juli 2022 und Januar 2023 verlor. Die Beklagte betrieb eine Glücksspiel-Website, auf der die Klägerin erhebliche Verluste erlitt. Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, weil die Klägerin die Rechtskonformität der Casino-Aktivitäten in Frage stellte, insbesondere im Hinblick auf den Glücksspielstaatsvertrag.
Urteilsergebnis
Der Bundesgerichtshof wies die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Die Klägerin erhielt somit im Beschwerdeverfahren Recht, da das Gericht den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts für unzulässig erklärte. Die Entscheidung basierte darauf, dass die vorgelegten Fragen nicht entscheidungserheblich für den aktuellen Fall waren. Die Beklagte konnte den Aussetzungsbeschluss nicht wiederherstellen.
I ZB 78/24 Vollstreckung Schiedsspruch abgelehnt 👆Relevante Rechtsnormen
ZPO § 148
ZPO § 148 behandelt die Möglichkeit eines Gerichts, ein Verfahren auszusetzen. Das bedeutet, dass das Gericht die Verhandlung pausieren kann, bis in einer anderen rechtlichen Angelegenheit eine Entscheidung gefallen ist. Diese Norm ist insbesondere relevant, wenn die Entscheidung eines anderen Verfahrens für die aktuelle Rechtssache von wesentlicher Bedeutung ist. Ein typisches Beispiel hierfür ist, wenn ein nationales Gericht auf die Entscheidung eines europäischen oder internationalen Gerichts wartet, die für das eigene Urteil von entscheidender Bedeutung sein könnte.
Anwendungsbereich
ZPO § 148 wird angewendet, wenn eine Vorabentscheidung eines anderen Gerichts abgewartet werden muss. Dies ist häufig der Fall, wenn die Rechtsfrage, die in einem anderen Verfahren entschieden wird, unmittelbare Auswirkungen auf den vorliegenden Fall hat. Das Gericht hat dabei ein Ermessen, das es ausüben muss, um zu entscheiden, ob eine Aussetzung sinnvoll und notwendig ist.
Ermessensspielraum
Der Ermessensspielraum des Gerichts bei der Entscheidung über eine Aussetzung ist nicht unbegrenzt. Es muss prüfen, ob die Aussetzung wirklich erforderlich ist und ob die andere Entscheidung tatsächlich entscheidungserheblich ist. Das Gericht darf dabei keine eigenen Zweckmäßigkeitsüberlegungen anstellen, sondern muss sich strikt an den rechtlichen Rahmen halten.
ZPO § 252
Gemäß ZPO § 252 ist die sofortige Beschwerde ein Rechtsmittel, das gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen eingelegt werden kann. Diese ermöglicht es einer Partei, eine gerichtliche Entscheidung unverzüglich anzufechten, um eine schnelle Überprüfung durch das nächsthöhere Gericht zu erreichen. Im Kontext des § 148 ZPO ist die sofortige Beschwerde besonders wichtig, da sie eine Möglichkeit bietet, die Entscheidung eines Gerichts über die Aussetzung eines Verfahrens zu überprüfen.
Voraussetzungen
Die sofortige Beschwerde muss innerhalb einer kurzen Frist nach der Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt werden. Sie ist nur statthaft, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Im Fall der Aussetzung nach § 148 ZPO ist die sofortige Beschwerde zulässig, wenn die Aussetzung in Verbindung mit einem Vorabentscheidungsersuchen eines anderen Gerichts steht.
Verfahren
Das Verfahren der sofortigen Beschwerde ist darauf ausgelegt, schnell und effektiv zu einer Entscheidung zu gelangen. Das Beschwerdegericht prüft dabei die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung und kann diese entweder bestätigen oder aufheben.
AEUV Art 267
Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) regelt das Vorabentscheidungsverfahren. Dieses Verfahren ermöglicht es nationalen Gerichten, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Auslegung des EU-Rechts zu bitten. Die Vorabentscheidung ist verbindlich und klärt Unklarheiten im EU-Recht, die für das nationale Verfahren entscheidend sein können.
Zweck
Der Zweck des Vorabentscheidungsverfahrens besteht darin, die einheitliche Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Indem nationale Gerichte den EuGH um eine Auslegung bitten, wird vermieden, dass das EU-Recht in den Mitgliedstaaten unterschiedlich angewendet wird.
Verfahren
Ein nationales Gericht kann das Vorabentscheidungsverfahren einleiten, wenn es Zweifel an der Auslegung oder Gültigkeit des EU-Rechts hat, die für seine Entscheidung relevant sind. Der EuGH gibt dann eine verbindliche Auslegung oder Entscheidung, die das nationale Gericht in seinem Urteil berücksichtigen muss.
I ZB 60/24 Erinnerung gegen Kostenansatz abgewiesen 👆I ZB 39/24 Entscheidungsgrundlage
Anwendung
Grundsatzinterpretation
Die Grundsatzinterpretation im Fall I ZB 39/24 basiert auf der Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung), der die Aussetzung eines Verfahrens regelt, wenn die Entscheidung von einem anderen Rechtsstreit abhängig ist. Die Norm erlaubt es einem Gericht, ein Verfahren auszusetzen, wenn die Entscheidung eines anderen Gerichts, insbesondere des Gerichtshofs der Europäischen Union, abgewartet werden muss, um mögliche Konflikte zu vermeiden und die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Im konkreten Fall hat das Landgericht Hamburg das Verfahren ausgesetzt, um die Entscheidung des EuGH abzuwarten, die klären soll, ob frühere Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Diese Vorgehensweise spiegelt die Notwendigkeit wider, eine einheitliche Rechtsauslegung im europäischen Kontext zu fördern, indem nationale Gerichte die Entscheidung über unionsrechtliche Fragen dem EuGH überlassen.
Ausnahmeinterpretation
Die Ausnahmeinterpretation in diesem Fall bezieht sich auf die Frage, wann eine sofortige Beschwerde gemäß § 252 ZPO statthaft ist. Normalerweise ist die sofortige Beschwerde gegen Aussetzungsbeschlüsse gegeben, um den Parteien eine Möglichkeit zu bieten, unberechtigte Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Die Besonderheit im vorliegenden Fall besteht darin, dass die Aussetzung nicht mit einem eigenen Vorabentscheidungsersuchen verbunden war, sondern auf ein Ersuchen eines anderen Gerichts zurückging. Das Oberlandesgericht Hamburg hob den Aussetzungsbeschluss auf, da es der Auffassung war, dass die gestellten Vorlagefragen nicht entscheidungserheblich für den konkreten Rechtsstreit seien. Diese Ausnahme von der Regel, die Beschwerde zuzulassen, zeigt, dass Gerichte in der Lage sind, mögliche Ermessensfehler zu korrigieren und die Aussetzung nur dann aufrechtzuerhalten, wenn die relevanten Rechtsfragen tatsächlich entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sind.
Urteilsbegründung
Die Begründung des Bundesgerichtshofs zur Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Beklagten stützt sich auf die Feststellung, dass das Beschwerdegericht korrekt die fehlende Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen für den konkreten Fall erkannt hat. Das Beschwerdegericht hatte festgestellt, dass der Klageanspruch auf Einsätze gestützt wurde, die nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 nicht mehr unter das Totalverbot fielen. Somit war die Entscheidung des EuGH über die Vereinbarkeit des Totalverbots aus dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 nicht mehr relevant, da die rechtliche Grundlage für die Klage nicht mehr existierte. Der BGH bestätigte, dass das Beschwerdegericht sein Ermessen korrekt ausgeübt hatte, indem es den Aussetzungsbeschluss überprüft und aufgehoben hatte, da keine hinreichenden Gründe für eine Verfahrensaussetzung vorlagen. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung der Ermessensausübung durch die Gerichte, um sicherzustellen, dass Verfahrensaussetzungen nur dann erfolgen, wenn sie tatsächlich notwendig und gerechtfertigt sind.
I ZB 48/24 Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens 👆Ähnliche Urteile
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 – I ZR 23/19
Sachverhalt
In diesem Fall hatte ein Verbraucher gegen ein Online-Casino geklagt, das in einem EU-Mitgliedstaat lizenziert war. Der Kläger verlangte die Rückerstattung seiner Verluste aus Online-Glücksspielen, die er auf der Plattform des Beklagten erlitten hatte. Er argumentierte, dass die Lizenz des Casinos in Deutschland nicht gültig sei, da das Glücksspielverbot gemäß dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) Anwendung finde.
Urteil
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied zugunsten des Klägers. Das Gericht befand, dass das in Deutschland geltende Glücksspielverbot Vorrang vor der ausländischen Lizenz habe. Der Beklagte wurde verurteilt, die Spieleinsätze zurückzuzahlen, da das Angebot des Casinos in Deutschland rechtlich nicht zulässig war.
Unterschiede
Im Unterschied zum Hauptfall, in dem die Unionsrechtskonformität des GlüStV 2012 geprüft wird, lag im Urteil I ZR 23/19 der Fokus auf der Gültigkeit der in Deutschland nicht anerkannten Lizenz. Die unionsrechtliche Frage stand hier nicht im Vordergrund, sondern die nationale Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrags.
BGH, Urteil vom 11. September 2014 – I ZR 34/12
Sachverhalt
Dieser Fall betraf die Klage eines Spielers gegen einen Veranstalter von Sportwetten. Der Kläger hatte bei dem Beklagten, der keine Lizenz für Sportwetten in Deutschland besaß, Wetten abgeschlossen und forderte die Rückzahlung der verlorenen Einsätze. Der Kläger argumentierte, dass der Anbieter gegen den GlüStV verstoßen habe.
Urteil
Der BGH entschied für den Kläger. Das Gericht stellte fest, dass der Anbieter ohne eine gültige Lizenz in Deutschland tätig gewesen sei und daher die Einsätze zurückzuerstatten habe. Die Entscheidung betonte die Wichtigkeit der Einhaltung nationaler Vorschriften trotz internationaler Lizenzierungen.
Unterschiede
Der Hauptunterschied zum Hauptfall liegt in der Art des Glücksspiels und der Lizenzierung. Während im Hauptfall die unionsrechtliche Frage entscheidend ist, ging es im Urteil I ZR 34/12 um die fehlende deutsche Lizenz und die Nichtigkeit der Wetten aufgrund nationaler Regelungen.
EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07
Sachverhalt
In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob nationale Regelungen, die den Zugang zu Glücksspielen beschränken, mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Mehrere Anbieter aus verschiedenen EU-Staaten hatten gegen die restriktiven Maßnahmen eines Mitgliedsstaats geklagt, in dem sie keine Lizenz erhielten.
Urteil
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte, dass die Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein können, wenn sie dem Schutz der Verbraucher und der öffentlichen Ordnung dienen. Die nationalen Regelungen wurden teilweise bestätigt.
Unterschiede
Im Gegensatz zum Hauptfall, in dem die konkrete Anwendbarkeit des GlüStV 2012 auf eine unionsrechtliche Prüfung ankommt, beschäftigt sich der EuGH-Fall C-316/07 mit den allgemeinen Kriterien, unter denen nationale Beschränkungen mit dem Unionsrecht vereinbar sein können.
BGH, Urteil vom 28. März 2019 – I ZR 93/17
Sachverhalt
Hier ging es um eine Klage eines Spielers gegen einen Online-Buchmacher. Der Kläger forderte die Rückzahlung von Wetteinsätzen, die er bei einem in Gibraltar lizenzierten Anbieter verloren hatte. Er berief sich auf die Nichtigkeit der Verträge nach deutschem Recht aufgrund des GlüStV.
Urteil
Der BGH entschied, dass die Rückzahlung der Einsätze gerechtfertigt sei. Die Wetten waren in Deutschland ungültig, da der Anbieter keine Lizenz hatte, die den Bestimmungen des GlüStV entsprach. Es wurde klargestellt, dass die Einhaltung nationaler Vorschriften entscheidend ist.
Unterschiede
Der Hauptunterschied zum Hauptfall besteht darin, dass im Urteil I ZR 93/17 keine unionsrechtliche Frage im Raum stand. Das deutsche Recht wurde direkt angewendet, ohne auf die Konformität mit dem Unionsrecht eingehen zu müssen.
I ZR 197/22 Werbung für Desinfektionsschaum verboten 👆FAQ
Was ist eine sofortige Beschwerde gemäß § 252 ZPO?
Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsmittel, das gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen eingelegt werden kann, um diese überprüfen zu lassen.
Wer kann eine sofortige Beschwerde einlegen?
Eine sofortige Beschwerde kann von der Partei eingelegt werden, die durch die Entscheidung des Gerichts beschwert ist, also einen Nachteil erleidet.
Wie lange dauert das Verfahren der sofortigen Beschwerde?
Die Dauer variiert je nach Fallkomplexität und Gerichtsauslastung, meist jedoch einige Wochen bis Monate.
Warum wurde der Aussetzungsbeschluss aufgehoben?
Der Aussetzungsbeschluss wurde aufgehoben, da das Beschwerdegericht keinen Aussetzungsgrund gemäß § 148 ZPO sah.
Was bedeutet „unionsrechtskonform“?
Unionsrechtskonform bedeutet, dass eine nationale Regelung mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.
I ZB 78/24 Vollstreckung Schiedsspruch abgelehnt
I ZR 53/24 Händlerstatus bei Gewinnspiel prüfen 👆