Haben Sie sich jemals gefragt, ob Sie wegen derselben Straftat in zwei verschiedenen Ländern verfolgt werden könnten? Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, mit transnationalen Straftaten umzugehen, und es gibt tatsächlich ein wegweisendes Urteil, das Licht ins Dunkel bringt. Wenn Sie in einer ähnlichen Situation stecken, könnte das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2000 Ihnen wertvolle Einblicke und Lösungsansätze bieten.
1 StR 483/99 Schwerer Bandendiebstahl in Zwei Staaten
Fallübersicht
Konkrete Situation
Es wird berichtet, dass ein Angeklagter gemeinsam mit zwei anderen Personen Mitte 1997 in der Schweiz beschlossen hat, sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland Einbrüche zu begehen, um finanzielle Mittel zu beschaffen. Diese Serie von Straftaten führte in der Schweiz zu einer Verurteilung, während gleichzeitig in Deutschland ähnliche Vorwürfe erhoben wurden. Die Herausforderung bestand darin, dass die Taten transnational waren und somit in zwei verschiedenen Ländern geahndet werden mussten.
Kläger (Staatsanwaltschaft): Anklage wegen schwerem Bandendiebstahl
Die Staatsanwaltschaft sieht den Angeklagten als Teil einer Bande, die systematisch Einbrüche begangen hat. Sie argumentiert, dass der Angeklagte zusammen mit seinen Komplizen sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland schwere Bandendiebstähle verübt hat. Die Anklage umfasst auch den Vorwurf der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in einem der Fälle.
Beklagter (Angeklagter): Verteidigung gegen die Vorwürfe
Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe nicht grundsätzlich, sondern konzentriert sich darauf, dass es keine doppelte Verfolgung für dieselben Straftaten geben dürfe. Er hat bereits in der Schweiz Berufung gegen Teile des Urteils eingelegt, insbesondere gegen die Verurteilung wegen Gefährdung durch Sprengstoffe. Zudem argumentiert die Verteidigung, dass die Verurteilung in Deutschland nicht gerechtfertigt sei, wenn die Taten bereits in der Schweiz abgeurteilt wurden.
Urteilsergebnis
Die Staatsanwaltschaft hat gewonnen. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 26. April 1999 wurde verworfen. Der Angeklagte muss die Kosten seines Rechtsmittels tragen. Das Gericht stellte fest, dass keine doppelten Verfolgungen vorliegen, da die Taten in der Schweiz und Deutschland zeitlich getrennt waren. Die verfahrensrechtlichen Einwände des Angeklagten wurden als unbegründet angesehen.
Anwalt kämpft um Titel Fachanwalt vor Ablauf der Frist (AnwZ (B) 33/99) 👆1 StR 483/99 Relevante Rechtsvorschriften
EuAlÜbk Art. 14, 19 Abs. 2
Das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) regelt die Bedingungen und Verfahren für die Auslieferung von Straftätern zwischen Vertragsstaaten. Artikel 14 betrifft den Spezialitätsgrundsatz, der besagt, dass eine ausgelieferte Person nur für die Straftaten verfolgt werden darf, die als Grundlage für die Auslieferung dienten. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Rechte des Angeklagten bei internationalen Verfahren geschützt werden. Artikel 19 Abs. 2 behandelt die vorübergehende Auslieferung, bei der eine Person für einen bestimmten Zeitraum zur Durchführung eines Strafverfahrens an einen anderen Staat überstellt wird, bevor sie zurückkehrt, um die ursprünglich verhängte Strafe abzusitzen.
StGB § 51
Der § 51 des Strafgesetzbuches (StGB) regelt die Anrechnung von Haftzeiten auf eine verhängte Strafe. Diese Vorschrift stellt sicher, dass Zeiten, die eine Person bereits in Untersuchungshaft verbracht hat, auf die Gesamtstrafe angerechnet werden. Hierbei wird berücksichtigt, dass die Haft aus Anlass der Tat erfolgte, für die die Person verurteilt wurde. In Fällen internationaler Strafverfolgung, wie im vorliegenden Fall, ist die korrekte Anrechnung solcher Zeiten entscheidend, um eine doppelte Bestrafung zu vermeiden. Es sorgt dafür, dass Gerechtigkeit in der Strafvollstreckung gewahrt bleibt.
IRG §§ 68, 72
Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) regelt die Zusammenarbeit zwischen Staaten bei der Strafverfolgung. § 68 IRG betrifft die vorübergehende Überstellung in das Ausland, um sicherzustellen, dass ein Angeklagter für eine Verhandlung anwesend ist, bevor er in das Ursprungsland zurückkehrt. Der § 72 IRG befasst sich mit dem Verfahren, das eingehalten werden muss, wenn eine dauerhafte Auslieferung beantragt wird. Diese Paragraphen sind entscheidend, um eine reibungslose und rechtskonforme Kooperation zwischen den Justizbehörden unterschiedlicher Länder zu gewährleisten.
Vater führt Tochter zur Couch Was geschah im Frühjahr 1998 (1 StR 107/00) 👆1 StR 483/99 Urteilskriterien
Prinzipielle Auslegung
EuAlÜbk Art. 14, 19 Abs. 2
Grundsätzlich erlaubt das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) die vorübergehende Überstellung eines Angeklagten zu Verfahrenszwecken zwischen Staaten, solange die Rückführung sichergestellt ist. Dies bedeutet, dass ein Angeklagter für eine begrenzte Zeit an einen anderen Staat ausgeliefert werden kann, um dort vor Gericht gestellt zu werden, vorausgesetzt, er wird anschließend in den Ursprungsstaat zurückgebracht.
StGB § 51
Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) regelt die Anrechnung von Untersuchungshaft auf die verhängte Strafe. Grundsätzlich werden Zeiten der Haft, die im Zusammenhang mit dem abgeurteilten Delikt stehen, auf die Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet, um eine doppelte Bestrafung zu vermeiden.
IRG §§ 68, 72
Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sieht die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Auslieferung und Rücklieferung von Angeklagten zwischen Staaten vor. Es legt fest, unter welchen Bedingungen eine Person zur Durchführung eines Strafverfahrens überstellt und anschließend zurückgeführt werden muss.
Ausnahmeauslegung
EuAlÜbk Art. 14, 19 Abs. 2
Ausnahmsweise kann die Spezialitätsregel (ein Prinzip, das besagt, dass eine ausgelieferte Person nur für die Straftaten verfolgt werden darf, für die sie ausgeliefert wurde) bei einer nachträglichen Genehmigung durch den ausliefernden Staat gelockert werden. Dies erlaubt eine Verurteilung für weitere Straftaten, die nicht im ursprünglichen Auslieferungsantrag enthalten waren.
StGB § 51
In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass die Anrechnung von Untersuchungshaft nicht erfolgt, wenn jene Haft bereits in einem anderen Staat berücksichtigt wurde. Dies verhindert eine doppelte Anrechnung derselben Haftzeit auf unterschiedliche Strafen.
IRG §§ 68, 72
Ausnahmsweise kann die Verfahrensunterbrechung notwendig sein, wenn das Verfahrenshindernis der Spezialität vorübergehend besteht, aber noch behebbar ist. In solchen Fällen kann das Verfahren bis zur Klärung des Hindernisses pausiert werden.
Angewandte Auslegung
In diesem Fall wurden die Bestimmungen des EuAlÜbk sowie des StGB und IRG sowohl prinzipiell als auch ausnahmsweise angewendet. Die vorübergehende Auslieferung des Angeklagten nach Deutschland erfolgte gemäß den Grundsätzen des EuAlÜbk, während die Anrechnung der Untersuchungshaft gemäß StGB § 51 erfolgte, wobei jedoch die Doppelanrechnung vermieden wurde. Die Anwendung der Spezialitätsregel wurde durch die nachträgliche Genehmigung der Schweiz außer Kraft gesetzt, sodass eine Verurteilung für zusätzliche Straftaten möglich wurde. Diese kombinierte Anwendung von Prinzipien und Ausnahmen zeigt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Rechtsvorschriften in komplexen transnationalen Fällen.
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1 StR 483/99 Lösungsmethode
In diesem Fall wurde die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen verworfen, was zeigt, dass die juristische Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft erfolgreich war. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dies legt nahe, dass die gerichtliche Verfolgung transnationaler Straftaten durch eine koordinierte Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden effektiv durchgeführt wurde. Für ähnlich komplexe Fälle wäre die Inanspruchnahme eines erfahrenen Verteidigers ratsam, um die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang zu maximieren. Ein Laie könnte leicht in den komplexen rechtlichen und internationalen Aspekten der Strafverfolgung verloren gehen, daher wäre eine Selbstvertretung weniger ratsam.
Ähnliche Fälle Lösungsmethoden
Einbruch nur in Deutschland
In Fällen, in denen der Einbruch ausschließlich in Deutschland stattfand, sollte der Fokus auf einer sorgfältigen Verteidigung liegen, die sich auf die Umstände des Einbruchs konzentriert. Hier könnte eine Selbstvertretung in Betracht gezogen werden, wenn die Beweislage klar ist und keine internationalen Aspekte involviert sind. Bei Unsicherheiten sollte jedoch ein Fachanwalt konsultiert werden.
Einbruch nur in der Schweiz
Bei Einbrüchen, die ausschließlich in der Schweiz verübt wurden, wäre es wichtig, die rechtlichen Gegebenheiten in der Schweiz zu berücksichtigen. Ein Anwalt, der mit dem schweizerischen Strafrecht vertraut ist, sollte hinzugezogen werden, um die bestmögliche Verteidigung zu gewährleisten. Hier kann eine Zusammenarbeit mit einem deutschen Anwalt sinnvoll sein, wenn der Angeklagte in Deutschland wohnhaft ist.
Keine Sprengstoffe verwendet
Falls bei dem Bandendiebstahl keine Sprengstoffe verwendet wurden, könnte dies als mildernder Umstand betrachtet werden. In einem solchen Szenario wäre es sinnvoll, einen Anwalt zu konsultieren, um diesen Aspekt in der Verteidigung hervorzuheben und möglicherweise eine mildere Strafe zu erreichen. Eine Selbstvertretung wäre weniger ratsam, da die rechtlichen Nuancen die Unterstützung eines Experten erfordern.
Einzeltäter ohne Bandenmitgliedschaft
Wenn der Angeklagte als Einzeltäter und nicht als Teil einer Bande gehandelt hat, könnte dies ebenfalls strafmildernd wirken. Hier wäre eine fundierte rechtliche Beratung entscheidend, um diesen Aspekt effektiv zu nutzen. Eine Selbstvertretung könnte in einfacheren Fällen möglich sein, jedoch bietet eine professionelle Verteidigung eine bessere Chance auf ein günstiges Urteil.
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Was ist Bandendiebstahl?
Bandendiebstahl ist ein Diebstahl, der von einer Gruppe von mindestens drei Personen verübt wird, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen zusammengeschlossen haben.
Was ist Doppelverfolgung?
Bei der Doppelverfolgung wird eine Person für dieselbe Tat in zwei verschiedenen Ländern strafrechtlich verfolgt. Sie ist nach dem Grundsatz “ne bis in idem” in der Regel unzulässig.
Wie funktioniert Auslieferung?
Die Auslieferung ist der Prozess, bei dem ein Staat eine Person an einen anderen Staat übergibt, damit diese dort strafrechtlich verfolgt oder eine Strafe vollstreckt wird.
Was ist Spezialitätsprinzip?
Das Spezialitätsprinzip besagt, dass eine ausgelieferte Person nur wegen der Straftaten verfolgt werden darf, für die ihre Auslieferung bewilligt wurde.
Kann Strafe addiert werden?
Strafen aus verschiedenen Urteilen können nicht einfach addiert werden. Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist erforderlich, falls rechtlich möglich.
Wie wird Haft angerechnet?
Die bereits verbüßte Haftzeit wird auf die Gesamtstrafe angerechnet. Doppelanrechnungen sind zu vermeiden, außer es liegt ein spezieller Grund vor.
Was ist Härteausgleich?
Härteausgleich erfolgt, wenn im Rahmen der Gesamtstrafenbildung eine unangemessene Härte für den Verurteilten vermieden werden soll, insbesondere bei transnationalen Fällen.
Wie lange dauert Berufung?
Die Dauer eines Berufungsverfahrens kann variieren und hängt von der Komplexität des Falles und der Gerichtsauslastung ab. Ein konkreter Zeitrahmen lässt sich schwer festlegen.
Was ist Gesamtstrafe?
Eine Gesamtstrafe ist eine einheitliche Strafe, die aus mehreren Einzelstrafen gebildet wird, wenn eine Person wegen mehrerer Straftaten verurteilt wurde.
Wann greift § 51 StGB?
§ 51 StGB regelt die Anrechnung von Untersuchungshaft auf die verhängte Freiheitsstrafe, um sicherzustellen, dass die Gesamtverbüßungsdauer nicht ungerechtfertigt verlängert wird.
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