In einer Welt, in der Designideen schnell kopiert werden, stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, ihre kreativen Werke zu schützen. Haben Sie sich jemals gefragt, wie Gerichte solche Streitfälle entscheiden? Lassen Sie uns anhand eines repräsentativen Urteils des Bundesgerichtshofs eine Lösung betrachten.
I ZR 18/24 Situation
Sachverhalt
Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob die Sandalenmodelle “Arizona” und “Gizeh” der Birkenstock-Gruppe urheberrechtlich geschützt sind. Die Klägerin, ein Teil der Birkenstock-Gruppe, behauptet, dass diese Modelle durch Karl Birkenstock in den Jahren 1973 und 1983 entworfen wurden und als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz genießen. Die Beklagte, die als Lizenznehmerin der s.O. B. F. GmbH & Co. KG agiert, habe mit ihren Sandalenmodellen, die im Internet angeboten werden, diese Rechte verletzt. Die Klägerin sieht in der Gestaltung der Beklagten-Sandalen eine Kopie ihrer ikonischen Designs.
Urteilsergebnis
Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück. Die Richter entschieden, dass die Sandalenmodelle “Arizona” und “Gizeh” nicht die Voraussetzungen für urheberrechtlichen Schutz als Werke der angewandten Kunst erfüllen. Dies bedeutet, dass die Beklagte mit ihren Modellen keine Urheberrechte verletzt hat und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln bestätigt wurde. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
I ZR 17/24 Schuhdesign Urheberrecht abgewiesen 👆Relevante Rechtsnormen
§ 2 UrhG
Der § 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) ist die zentrale Norm, die die geschützten Werke im deutschen Urheberrecht definiert. Er beschreibt ausführlich, welche Werke als persönliche geistige Schöpfungen gelten und somit urheberrechtlichen Schutz genießen. Zu den geschützten Werken zählen unter anderem Sprachwerke, Werke der Musik, Lichtbildwerke, Filmwerke sowie Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art.
Werke der angewandten Kunst
Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Werken der angewandten Kunst. Diese sind Gegenstände, die sowohl eine ästhetische als auch eine funktionale Komponente haben, wie zum Beispiel Designer-Möbel oder modische Bekleidung. Für den urheberrechtlichen Schutz ist entscheidend, dass das Werk eine gewisse schöpferische Höhe erreicht, also über das Alltägliche hinausgeht. Diese Einschätzung liegt oft im Ermessen der Gerichte.
Schöpfungshöhe
Die Schöpfungshöhe ist ein zentraler Begriff im Urheberrecht. Sie beschreibt das Maß an Individualität und Kreativität, das ein Werk aufweisen muss, um als schutzwürdig angesehen zu werden. Die Grenzen sind fließend und hängen stark vom jeweiligen Werk und dessen Kontext ab. Im vorliegenden Fall war entscheidend, ob die Gestaltung der Sandalen “Arizona” und “Gizeh” diese Höhe erreicht.
§ 15 UrhG
§ 15 UrhG regelt die Verwertungsrechte des Urhebers. Diese umfassen das Recht, das Werk in körperlicher Form zu verbreiten, es öffentlich wiederzugeben und es in unkörperlicher Form zu nutzen. Der Urheber hat die alleinigen Rechte an der Verwertung seines Werkes und kann Dritten Lizenzen erteilen oder die Rechte insgesamt abtreten.
Verbreitungsrecht
Das Verbreitungsrecht gibt dem Urheber die Kontrolle über die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken seines Werkes. Dies bedeutet, dass ohne seine Zustimmung keine Kopien des Werkes verkauft, verliehen, vermietet oder verschenkt werden dürfen. Im Prozess zwischen Birkenstock und der Beklagten war strittig, ob das Verbreitungsrecht durch die Herstellung und den Verkauf der umstrittenen Sandalen verletzt wurde.
Öffentliches Zugänglichmachen
Darüber hinaus umfasst § 15 das Recht, das Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies spielt insbesondere bei der Verbreitung im Internet eine Rolle. Der Urheber kann darüber entscheiden, ob und wie sein Werk online verfügbar gemacht wird. Die Frage, ob die Beklagte durch den Online-Verkauf der Sandalen gegen dieses Recht verstoßen hat, war ebenfalls Teil des Rechtsstreits.
§ 17 UrhG
In § 17 UrhG wird das Verbreitungsrecht konkretisiert, indem es dem Urheber das ausschließliche Recht gibt, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes durch Verkauf oder auf andere Weise in den Verkehr zu bringen. Diese Bestimmung schützt den Urheber vor unerlaubter Verwertung und sichert ihm die wirtschaftlichen Erträge aus der Nutzung seines Werkes.
Inverkehrbringen
Das Inverkehrbringen ist der Moment, in dem ein Vervielfältigungsstück des Werkes erstmals mit Zustimmung des Urhebers einem Dritten überlassen wird. Das bedeutet, dass das Werk in den Handel gelangt ist. Im Fall der Birkenstock-Sandalen war die zentrale Frage, ob die von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Sandalen ohne Erlaubnis in den Verkehr gebracht wurden.
Erschöpfungsgrundsatz
Der Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass das Verbreitungsrecht eines Urhebers für ein Werkstück erlischt, nachdem es mit Zustimmung des Urhebers in den Verkehr gebracht wurde. Dies bedeutet, dass der Käufer eines Buches oder einer CD diese weiterverkaufen kann, ohne den Urheber erneut um Erlaubnis fragen zu müssen. Die Anwendung dieses Grundsatzes war im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, da die Beklagte die Sandalen ohne Zustimmung des Urhebers in den Verkehr gebracht hat.
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Anwendung der Rechtsnorm
Grundsatzinterpretation
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall I ZR 18/24 stützt sich maßgeblich auf die Interpretation des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, der den Schutz von Werken der angewandten Kunst im Urheberrecht regelt. Werke der angewandten Kunst sind in der Regel Gebrauchsgegenstände, die gleichzeitig eine künstlerische Gestaltung aufweisen. Diese Norm stellt sicher, dass solche Werke urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn sie eine gewisse Schöpfungshöhe erreichen. Die Schöpfungshöhe (das Maß an individueller Gestaltung) ist entscheidend, um ein Werk als schutzwürdig anzuerkennen. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Sandalenmodelle “Arizona” und “Gizeh” diese Schöpfungshöhe erreichen.
Im Rahmen der Grundsatzinterpretation hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Gebrauchsgegenständen erneut hervorgehoben. Ein Werk der angewandten Kunst muss nicht nur neu und originell sein, sondern auch über eine künstlerische Gestaltung verfügen, die über das rein Handwerkliche hinausgeht. Diese Anforderung ist höher als bei rein zweckfreien Kunstwerken, da der Gebrauchszweck des Gegenstands nicht im Vordergrund stehen darf. Der BGH betonte, dass es nicht ausreiche, wenn ein Objekt lediglich ästhetisch ansprechend ist; vielmehr muss es eine persönliche geistige Schöpfung darstellen.
Ausnahmeinterpretation
Bei der Ausnahmeinterpretation beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, wann ein Gebrauchsgegenstand ausnahmsweise keinen urheberrechtlichen Schutz genießt. Trotz der grundsätzlichen Anerkennung der Möglichkeit, dass auch alltägliche Gegenstände urheberrechtlich geschützt sein können, bleibt der Schutz ausgeschlossen, wenn die Gestaltung allein dem technischen Zweck dient oder keine über das Alltägliche hinausgehende künstlerische Gestaltung aufweist. Im konkreten Fall führte dies dazu, dass den Sandalenmodellen “Arizona” und “Gizeh” der Schutz verwehrt wurde, da die Gestaltungselemente als nicht ausreichend individuell bewertet wurden.
Der Gerichtshof stellte klar, dass funktionale Merkmale, wie etwa die Form der Sohle oder die Materialwahl, die im Wesentlichen dem Tragekomfort oder der Haltbarkeit dienen, nicht für den urheberrechtlichen Schutz herangezogen werden können. Diese Ausnahmeinterpretation hebt die Abgrenzung zwischen technischem Design und künstlerischer Gestaltung nochmals hervor. Der BGH betonte, dass der Schutz versagt bleibt, wenn die Gestaltung im Wesentlichen durch den funktionalen Zweck bestimmt ist und keine zusätzliche kreative Leistung erkennbar ist.
Urteilsbegründung
Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, mit der fehlenden urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Sandalen. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Gestaltung der Modelle “Arizona” und “Gizeh” nicht die erforderliche Schöpfungshöhe erreichte, um als Werke der angewandten Kunst im Sinne des Urheberrechts anerkannt zu werden. Das Gericht stellte fest, dass die wesentlichen Gestaltungselemente der Sandalen keine individuelle kreative Leistung darstellen, die über das hinausgeht, was von einem durchschnittlichen Designer erwartet werden kann.
In seiner Begründung hob der BGH hervor, dass bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit auch die Gestaltungsmöglichkeiten eine Rolle spielen. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, dass die gewählten gestalterischen Merkmale eine außergewöhnliche und originelle künstlerische Leistung darstellen. Vielmehr wurden die Merkmale als typisch für Sandalen dieser Art angesehen, ohne dass sie eine besondere künstlerische Handschrift erkennen ließen. Auch die Behauptung, dass die Modelle aufgrund ihrer Bekanntheit als ikonisch betrachtet werden könnten, konnte die Richter nicht überzeugen, da Bekanntheit allein nicht ausreicht, um urheberrechtlichen Schutz zu begründen.
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass der urheberrechtliche Schutz von Gebrauchsgegenständen eine sorgfältige Abwägung zwischen künstlerischer Gestaltung und funktionalem Design erfordert. Die Richter legten dar, dass für den Schutz entscheidend ist, dass die Gestaltung eine persönliche geistige Schöpfung darstellt, die über das Alltägliche hinausgeht. Damit setzt das Urteil einen klaren Maßstab für zukünftige Fälle im Bereich des Designs von Gebrauchsgegenständen.
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BGH I ZR 15/19
Sachverhalt
In diesem Fall ging es um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Designermöbeln. Die Klägerin war eine bekannte Möbelmarke, die behauptete, dass ihre ikonischen Stuhlmodelle unrechtmäßig nachgeahmt wurden. Die Beklagte, ein großer Möbelhersteller, wies die Klage zurück und argumentierte, dass die Stühle keine ausreichende schöpferische Gestaltungshöhe aufwiesen, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen. Der Streitpunkt war, ob die Möbel als Werke der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG anerkannt werden konnten.
Urteil
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die streitgegenständlichen Möbel nicht als urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst zu betrachten seien. Es fehle an der notwendigen Schöpfungshöhe, da es sich lediglich um übliche Designmerkmale handelte, die keine individuelle künstlerische Handschrift erkennen ließen. Die Klage wurde daher abgewiesen, und die Beklagte durfte die Möbel weiterhin vertreiben.
Unterschiede
Im Gegensatz zum Birkenstock-Fall, bei dem die Gestaltung der Sandalen im Fokus stand, ging es hier um Möbel. Während Birkenstock die ikonische Gestaltung ihrer Sandalen betonte, wurde im Möbelstreit die übliche Natur des Designs hervorgehoben. Beide Fälle betrafen die Frage der Schöpfungshöhe, führten aber zu unterschiedlichen Ergebnissen, da die angewandte Kunst in beiden Fällen anders interpretiert wurde.
BGH I ZR 160/21
Sachverhalt
In diesem Verfahren klagte ein internationaler Modekonzern, nachdem ein kleinerer Modedesigner eine Kollektion auf den Markt gebracht hatte, die vermeintlich stark an die Entwürfe des Konzerns erinnerte. Der Kläger argumentierte, dass die Designs urheberrechtlich geschützt seien und die Beklagte unrechtmäßig diese Werke kopiert habe. Der Schwerpunkt lag auf den spezifischen Mustern und Schnitten der Kleidungsstücke, die eine gewisse künstlerische Eigenart aufweisen sollten.
Urteil
Der Bundesgerichtshof urteilte zugunsten der Beklagten. Das Gericht befand, dass die modischen Entwürfe nicht die erforderliche Schöpfungshöhe erreichten, um unter das Urheberrecht zu fallen. Es wurde festgestellt, dass die Modebranche stark von Trends geprägt ist und viele Designs eher funktional als künstlerisch sind. Daher wurde die Klage abgewiesen.
Unterschiede
Ähnlich wie im Birkenstock-Fall stand auch hier die Frage der Schöpfungshöhe im Mittelpunkt. Der Unterschied liegt jedoch in der Branche und der Art der Produkte. Während Birkenstock spezifisch auf die einzigartigen Merkmale ihrer Sandalen hinwies, wurde bei den Kleidungsstücken des Modekonzerns die allgemeine Natur von Modetrends hervorgehoben, was letztlich zu einem anderen Urteil führte.
BGH I ZR 73/22
Sachverhalt
Dieser Fall betraf den Schutz von Schmuckdesigns. Eine Schmuckdesignerin klagte gegen einen Mitbewerber, der angeblich ihre einzigartigen Schmuckstücke kopiert hatte. Die Klägerin argumentierte, dass ihre Designs durch die besondere Kombination von Materialien und Formen urheberrechtlich geschützt seien. Der Beklagte bestritt dies und behauptete, dass die Designs zu allgemein seien, um Schutz zu genießen.
Urteil
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Schmuckdesigns tatsächlich urheberrechtlich geschützt seien. Das Gericht stellte fest, dass die Kombination von Materialien und Formen eine individuelle künstlerische Ausdruckskraft aufwies, die die notwendige Schöpfungshöhe erreichte. Der Beklagte wurde verurteilt, die Produktion der nachgeahmten Schmuckstücke einzustellen und Schadensersatz zu leisten.
Unterschiede
Im Gegensatz zum Birkenstock-Fall, bei dem die Gestaltung der Sandalen nicht als schutzwürdig angesehen wurde, erkannte das Gericht hier die künstlerische Eigenart der Schmuckdesigns an. Der wesentliche Unterschied liegt in der Beurteilung der kreativen Elemente, die bei den Schmuckstücken als individuell und originell eingestuft wurden.
BGH I ZR 219/23
Sachverhalt
Ein Kunsthandwerker klagte gegen einen großen Einzelhändler, der ähnliche Keramikkunstwerke verkaufte. Der Kläger behauptete, dass seine handgefertigten Keramiken durch ihre einzigartige Glasurtechnik und Formgebung urheberrechtlich geschützt seien. Der Beklagte argumentierte, dass es sich um alltägliche Gebrauchsgegenstände handele, die keinen Schutz genießen könnten.
Urteil
Der Bundesgerichtshof gab dem Kläger recht und entschied, dass die Keramikkunstwerke urheberrechtlich geschützt seien. Die Glasurtechnik und Formgebung wurden als künstlerische Merkmale anerkannt, die die notwendige Schöpfungshöhe aufwiesen. Der Einzelhändler wurde verurteilt, den Verkauf der fraglichen Keramiken einzustellen und Schadensersatz zu zahlen.
Unterschiede
Während im Birkenstock-Fall die Sandalen keine ausreichende künstlerische Gestaltungshöhe erreichten, erkannte das Gericht bei den Keramiken die künstlerische Eigenart an. Der Unterschied liegt in der Art der Objekte und der spezifischen Merkmale, die im Keramikfall als individuell und kreativ eingestuft wurden.
Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen bei dieser Anfrage nicht weiterhelfen.
I ZR 17/24 Schuhdesign Urheberrecht abgewiesen
I ZB 38/24 Drittes Einverständnis nötig 👆