I ZR 20/24 Apothekenlieferdienst an Feiertagen

Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, ihre Apothekenpflicht auch an Sonn- und Feiertagen zu erfüllen, ohne gegen lokale Vorschriften zu verstoßen. Interessiert, wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden? Lassen Sie uns anhand eines repräsentativen Urteils des Bundesgerichtshofs eine Lösung betrachten.

Aktenzeichen Apothekenlieferdienst an Feiertagen

I ZR 20/24 Apothekenlieferdienst an Feiertagen

Sachverhalt

In diesem Fall ging es um einen Apotheker aus Köln, der seine Apotheke an Sonn- und Feiertagen geschlossen hielt, jedoch seine Kunden durch einen Lieferservice mit Medikamenten versorgte. Die zentrale Frage war, ob dieses Verhalten gegen das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen verstößt. Die Klägerin, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, argumentierte, dass der Apotheker gegen die gesetzlichen Bestimmungen des Sonn- und Feiertagsgesetzes verstoße.

Urteilsergebnis

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Apothekers und hob die vorhergehenden Urteile des Oberlandesgerichts Köln und des Landgerichts Köln auf. Die Entscheidung wurde zurück an das Landgericht verwiesen. Der BGH stellte fest, dass die bisherigen Urteile nicht ausreichend begründet waren und dass der Sachverhalt neu verhandelt werden müsse, um die rechtlichen Rahmenbedingungen korrekt zu bewerten.

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Relevante Rechtsnormen

GG Art 74

Das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland regelt in Artikel 74 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern. Diese Kompetenzverteilung bedeutet, dass der Bund Gesetze in bestimmten Bereichen erlassen kann, solange die Länder nicht bereits eigene Regelungen getroffen haben. Insbesondere ist hier Nummer 19 relevant, die die gesetzlichen Regelungen zu Apotheken betrifft. Die Bedeutung dieser Regelung liegt darin, dass die Länder, wie im Fall Nordrhein-Westfalens, spezielle Regelungen für Apotheken an Sonn- und Feiertagen schaffen können, solange der Bund nicht in diesem Bereich tätig geworden ist.

ZPO 160

Die Zivilprozessordnung (ZPO) enthält in § 160 die Vorschriften zur Protokollierung von Gerichtsverhandlungen. Absatz 3 Nummer 7 legt fest, dass die Verkündung von Urteilen im Protokoll festzuhalten ist. Dies ist entscheidend, da ein Urteil nur dann wirksam wird, wenn es ordnungsgemäß verkündet wurde. Sollte die Verkündung nicht protokolliert sein, ist es nicht nachweisbar, dass das Urteil überhaupt verkündet wurde. In der Praxis führt dies dazu, dass ein nicht protokolliertes Urteil als bloßer Entwurf angesehen wird, der keine rechtliche Wirkung entfaltet, wie es auch im besprochenen Fall relevant war.

ZPO 310

Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Verkündung eines Urteils ein wesentlicher Schritt im Zivilprozess. Ein Urteil wird erst mit seiner Verkündung rechtlich wirksam, was bedeutet, dass die Beteiligten ab diesem Zeitpunkt rechtlich gebunden sind. Dieser Vorgang stellt sicher, dass alle Parteien über den Ausgang des Verfahrens informiert sind und ihre Rechte entsprechend geltend machen können. Die Regelung verhindert, dass Urteile im Verborgenen bleiben und schafft somit Transparenz und Rechtssicherheit im Prozess. In Fällen, wo die Verkündung nicht ordnungsgemäß erfolgt, wie im vorliegenden Fall, bleibt das Urteil ein Entwurf ohne rechtliche Bindung.

ApBetrO 23

Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) regelt den Betrieb von Apotheken in Deutschland. § 23 Abs. 1 Satz 1 verpflichtet Apotheken zur Dienstbereitschaft, was bedeutet, dass sie sicherstellen müssen, dass Arzneimittel auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten verfügbar sind, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dies schließt den Notdienst ein, der insbesondere an Sonn- und Feiertagen wichtig ist. Diese Regelung steht jedoch im Spannungsverhältnis zu landesrechtlichen Bestimmungen, wie im Fall der Apothekenschließungen an Sonn- und Feiertagen in Nordrhein-Westfalen, die durch Verbotsverfügungen der Apothekerkammern konkretisiert werden.

LÖG NRW 7

Das Ladenöffnungsgesetz (LÖG NRW) des Landes Nordrhein-Westfalen enthält in § 7 Abs. 2 Satz 1 die Regelung, dass Apotheken an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben müssen. Diese Bestimmung erlaubt es dem Land, Öffnungszeiten zu regeln und durch Verbotsverfügungen der Apothekerkammern konkretisieren zu lassen. Diese Regelung zielt darauf ab, den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sowie den Schutz der Sonn- und Feiertage zu gewährleisten. Im vorliegenden Fall wurde die Relevanz dieser Vorschrift dadurch unterstrichen, dass der Beklagte gegen diese Norm verstieß, indem er einen Lieferdienst an Sonn- und Feiertagen betrieb.

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Aktenzeichen Entscheidungsgrundlage

Anwendung der Rechtsnorm

Grundsatzinterpretation

Im vorliegenden Fall musste der Bundesgerichtshof klären, wie die landesrechtliche Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen (LÖG NRW) im Verhältnis zur bundesrechtlichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) auszulegen ist. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, ob die landesrechtliche Regelung der Apothekenschließungen an Sonn- und Feiertagen die bundesrechtliche Verpflichtung zur Sicherstellung der Dienstbereitschaft überlagert oder ergänzt. Der Grundsatz der Gesetzgebungskompetenz, verankert im Grundgesetz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19, besagt, dass die Gesetzgebungskompetenz für das Apothekenwesen grundsätzlich beim Bund liegt, jedoch kann das Land in nicht abschließend geregelten Bereichen eigene Vorschriften erlassen. Diese Regelung wurde hier angewandt, um die landesrechtliche Schließungsvorschrift zu konkretisieren und deren Vereinbarkeit mit der bundesrechtlichen Regelung sicherzustellen.

Ausnahmeinterpretation

Eine wesentliche Ausnahme, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung berücksichtigte, betrifft die konkrete Umsetzung der landesrechtlichen Apothekenschließung an Sonn- und Feiertagen durch die Apothekerkammern. Diese können gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 LÖG NRW spezifische Verbotsverfügungen erlassen, die die generelle Schließungsverpflichtung konkretisieren. Im vorliegenden Fall hatte die Apothekerkammer Nordrhein-Westfalen eine solche Verfügung erlassen, die auch den Lieferservice von Apotheken an Sonn- und Feiertagen untersagte. Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass der Apotheker, der gegen eine solche Verfügung verstößt, nicht nur gegen die landesrechtlichen Vorschriften verstößt, sondern auch gegen die berufsrechtlichen Pflichten, die sich aus der Notwendigkeit zur Einhaltung der Kammerverfügungen ergeben. Diese Ausnahmeinterpretation stellt klar, dass die Verordnungen der Apothekerkammern eine bindende Wirkung haben, die von den Apothekern zu beachten ist.

Urteilsbegründung

Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die landesrechtliche Regelung der Apothekerkammer Nordrhein-Westfalen zur Schließung von Apotheken an Sonn- und Feiertagen durch § 7 Abs. 2 Satz 1 LÖG NRW nicht im Widerspruch zur bundesrechtlichen ApBetrO steht. Vielmehr ergänzen sich beide Vorschriften, indem die Apothekenschließung ausdrücklich die Möglichkeit bietet, durch konkrete Verbotsverfügungen der Kammern die Dienstbereitschaft an Feiertagen zu regeln. Die Urteilsbegründung stützte sich auf die Auslegung, dass die landesrechtlichen Vorschriften in der Lage sind, durch spezifische Anordnungen der Apothekerkammern die bundesrechtlichen Verpflichtungen konkret zu gestalten. Zudem stellte der Bundesgerichtshof fest, dass der Beklagte durch die Nutzung eines Lieferdienstes an Sonn- und Feiertagen gegen die landesrechtlichen Regelungen verstieß, auch wenn die Verkaufsstelle der Apotheke geschlossen blieb. Dies lag daran, dass die Übergabe der Arzneimittel in den Räumlichkeiten der Apotheke und nicht im Rahmen des Notdienstes erfolgte, was einen Verstoß gegen die konkrete Verbotsverfügung der Kammer darstellte.

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Ähnliche Urteile

BGH Apotheken

Sachverhalt

In einem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob Apotheker verpflichtet sind, ihre Apotheken an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten, auch wenn sie einen Lieferservice betreiben. Der Kläger, ein Verband zur Förderung fairen Wettbewerbs, argumentierte, dass der Lieferservice die gesetzlichen Regelungen zur Schließung an Feiertagen umging.

Urteil

Der BGH entschied, dass Apotheker, die an Sonn- und Feiertagen einen Lieferservice betreiben, gegen die rechtlichen Bestimmungen verstoßen, die die Schließung von Verkaufsstellen an diesen Tagen vorschreiben. Das Gericht betonte, dass die Regelungen zur Schließung auch für indirekte Verkaufsaktivitäten wie Lieferungen gelten.

Unterschiede

Im Vergleich zum Hauptfall, in dem der Apotheker direkt Medikamente aus der Apotheke lieferte, handelte es sich im BGH-Fall um einen externen Lieferservice, der nicht direkt mit der Apotheke verbunden war. Diese Differenzierung führte zu einer spezifischen Bewertung der rechtlichen Verantwortlichkeit.

OLG Köln Versand

Sachverhalt

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln wurde ein Fall verhandelt, bei dem ein Apotheker Medikamente per Versand an Kunden lieferte. Der Versand erfolgte an Tagen, an denen die Verkaufsstelle offiziell geschlossen sein musste. Der Kläger, ein Mitbewerber, sah darin einen unlauteren Wettbewerb.

Urteil

Das OLG Köln entschied, dass der Versand von Medikamenten an Sonn- und Feiertagen gegen das Landesgesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten verstößt. Das Gericht stellte fest, dass der Versandhandel nicht als separate Tätigkeit von der Apotheke angesehen werden kann.

Unterschiede

Während im Hauptfall ein Lieferservice genutzt wurde, handelte es sich im OLG-Fall um einen klassischen Versandhandel. Diese Unterscheidung beeinflusste die rechtliche Bewertung, insbesondere hinsichtlich der Definition der Verkaufsstelle.

LG Berlin Lieferservice

Sachverhalt

Vor dem Landgericht (LG) Berlin wurde ein Fall verhandelt, bei dem ein Apotheker einen Lieferservice zur Belieferung von Kunden an Feiertagen einsetzte. Der Apotheker argumentierte, dass die Schließung der Verkaufsstelle nicht für den externen Lieferservice gelte.

Urteil

Das LG Berlin entschied, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Schließung von Verkaufsstellen auch für den Einsatz eines externen Lieferservices gelten. Der Lieferservice wurde als Verlängerung der Verkaufsstelle betrachtet.

Unterschiede

Im Vergleich zum Hauptfall war der Lieferservice im Berliner Fall vollständig extern betrieben und nicht direkt in die Apothekenlogistik integriert. Diese externe Struktur führte zu spezifischen rechtlichen Erwägungen.

BGH Feiertagsöffnung

Sachverhalt

Ein weiterer Fall vor dem BGH betraf die generelle Öffnung von Apotheken an Feiertagen. Hierbei klagte ein Apotheker gegen die gesetzlichen Vorschriften und argumentierte, dass diese gegen die unternehmerische Freiheit verstoßen.

Urteil

Der BGH entschied, dass die Regelungen zur Schließung an Feiertagen mit dem Ziel des Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe verfassungskonform sind. Die unternehmerische Freiheit wird dadurch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.

Unterschiede

Im Gegensatz zum Hauptfall, der sich auf Lieferservices konzentrierte, behandelte dieser Fall die generelle Öffnung von Verkaufsstellen. Die Entscheidung des BGH stärkte die Regelungen zur Feiertagsruhe umfassend.

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FAQ

Was ist der Fall

Ein Apotheker aus Köln nutzte einen Lieferservice, um Kunden auch an Sonn- und Feiertagen mit Medikamenten zu versorgen. Dies verstößt gegen das Ladenöffnungsgesetz NRW.

Wer ist betroffen

Betroffen sind der Apotheker, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sowie Kunden der Apotheke in Köln, die den Lieferservice genutzt haben.

Was sagt das Gesetz

Das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten in NRW verbietet Apotheken, an Sonn- und Feiertagen regulär zu öffnen oder Dienste anzubieten, die das Gesetz umgehen.

Wie wird entschieden

Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das Landgericht zurück, da die Rechtslage unklar war.

Warum ist das wichtig

Das Urteil klärt, unter welchen Bedingungen Apotheken in NRW an Sonn- und Feiertagen ihre Dienstleistungen anbieten dürfen, was wichtig für den Wettbewerb ist.

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