Ausländer verbreitet Auschwitzlüge im Internet (1 StR 184/00)

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Sie im Internet etwas gepostet haben, das in einem anderen Land strafrechtliche Konsequenzen haben könnte? Viele Menschen sind sich der grenzüberschreitenden Auswirkungen ihrer Online-Äußerungen nicht bewusst und stehen plötzlich vor rechtlichen Herausforderungen. Ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2000 zeigt, wie deutsche Gerichte mit solchen Fällen umgehen und bietet wichtige Orientierungshilfen.

1 StR 184/00 Ausländischer Autor veröffentlicht Holocaust-Leugnungen

Fallübersicht

Konkrete Situation

Ein in Australien lebender Mann, der ursprünglich aus Deutschland stammt, hat im Internet Artikel veröffentlicht, die den Holocaust leugnen. Diese Artikel waren auf einer Webseite zugänglich, die er von Australien aus betrieb. Die in den Artikeln geäußerten Thesen bestreiten die systematische Ermordung der Juden während des Zweiten Weltkriegs und bezeichnen diese als Erfindung mit dem Ziel der finanziellen und politischen Diffamierung Deutschlands. Diese Veröffentlichungen führten in Deutschland zu rechtlichen Konsequenzen, da sie als Volksverhetzung (eine Handlung, die das öffentliche Vertrauen und den Frieden stören kann) angesehen werden.

Kläger (Staatsanwaltschaft): Strafverfolgungsbehörde, die gegen den Angeklagten wegen Volksverhetzung ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den australischen Staatsbürger, weil dessen online gestellte Inhalte den Tatbestand der Volksverhetzung nach deutschem Recht erfüllen. Sie argumentiert, dass die Artikel geeignet sind, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu stören, indem sie das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft in die rechtliche Sicherheit beeinträchtigen.

Beklagter (Autor): Australischer Staatsbürger, der Holocaust-leugnende Artikel im Internet veröffentlicht hat, die in Deutschland zugänglich sind.

Der Beklagte, ein australischer Staatsbürger, der in Deutschland geboren wurde, verteidigt sich damit, dass seine Veröffentlichungen auf wissenschaftlichen Untersuchungen basieren und er keine Absicht hatte, den öffentlichen Frieden zu stören. Er behauptet, dass seine Äußerungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien und dass diese lediglich auf einem Server in Australien gespeichert wurden, ohne gezielt deutsche Nutzer anzusprechen.

Urteilergebnis

Die Staatsanwaltschaft hat in Teilen gewonnen. Das Gericht entschied, dass die Artikel des Angeklagten den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen und somit das deutsche Strafrecht anwendbar ist. Der Beklagte muss sich deshalb vor einem deutschen Gericht verantworten. Das Urteil des Landgerichts Mannheim wurde in Teilen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer zurückverwiesen. Die Kosten des Verfahrens müssen teilweise von beiden Parteien getragen werden.

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1 StR 184/00 Relevante Rechtsvorschriften

§ 130 Abs. 1 StGB Volksverhetzung

Der Paragraph 130 Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) ist zentral für die Verurteilung im vorliegenden Fall. Er behandelt die Volksverhetzung, die dann vorliegt, wenn jemand in einer Weise gegen Teile der Bevölkerung agitiert, dass der öffentliche Frieden gestört werden kann. Hierbei geht es um die Förderung von Hass oder Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Im Kontext des Urteils wurde festgestellt, dass die im Ausland veröffentlichten Äußerungen des Angeklagten geeignet waren, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu gefährden, was eine zentrale Rolle im Verfahren spielte.

§ 130 Abs. 3 StGB Leugnung des Holocaust

Dieser Paragraph ergänzt die Vorschriften zur Volksverhetzung und fokussiert sich speziell auf die Leugnung der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermorde, insbesondere des Holocaust. Das Gesetz stellt sicher, dass die Leugnung oder Verharmlosung solcher Verbrechen unter Strafe gestellt wird, um eine Wiederholung der Geschichte und die Verharmlosung von Gräueltaten zu verhindern. Im Urteil wurde der Angeklagte für seine Äußerungen, die als Leugnung des Holocausts interpretiert wurden, verurteilt, da sie geeignet waren, das Vertrauen in die öffentliche Sicherheit zu untergraben.

§ 9 StGB Tatort und Erfolgsort

Der Paragraph 9 des StGB definiert die Begriffe Tatort und Erfolgsort, die entscheidend dafür sind, ob deutsches Strafrecht zur Anwendung kommen kann. Eine Tat gilt als in Deutschland begangen, wenn entweder der Täter hier gehandelt hat oder der tatbestandsmäßige Erfolg in Deutschland eingetreten ist. Im vorliegenden Fall war entscheidend, dass die volksverhetzenden Inhalte im Internet auch in Deutschland zugänglich waren und hier die Eignung hatten, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies führte zur Anwendung deutschen Strafrechts auf die im Ausland begangenen Handlungen des Angeklagten.

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1 StR 184/00 Urteilsgrundlagen

Prinzipielle Auslegung

§ 130 Abs. 1 StGB Volksverhetzung

Nach § 130 Abs. 1 StGB gilt, dass der Tatbestand der Volksverhetzung dann erfüllt ist, wenn Äußerungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies bedeutet, dass die Aussagen eine Bedrohung für das friedliche Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen darstellen müssen, indem sie Hass oder Gewaltbereitschaft schüren. Diese Regelung schützt die soziale Ordnung und das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit.

§ 130 Abs. 3 StGB Leugnung des Holocaust

Gemäß § 130 Abs. 3 StGB stellt die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust eine Straftat dar, wenn sie öffentlich oder in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert oder geleugnet werden, was das Ansehen und die Würde der Opfer herabsetzen würde.

§ 9 StGB Tatort und Erfolgsort

Der § 9 StGB definiert den Tatort sowohl als den Ort der Handlung als auch den Erfolgsort, also den Ort, an dem der tatbestandliche Erfolg eintritt. Bei Delikten, die durch Äußerungen im Internet begangen werden, kann der Erfolgsort dort liegen, wo die Äußerungen abgerufen werden können und ihre Wirkung entfalten, also in diesem Fall auch in Deutschland.

Ausnahmeauslegung

§ 130 Abs. 1 StGB Volksverhetzung

In Ausnahmefällen kann die Auslegung so erfolgen, dass trotz volksverhetzender Inhalte eine Strafbarkeit ausgeschlossen wird, wenn die Äußerungen nicht geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies kann der Fall sein, wenn die Reichweite der Äußerung stark begrenzt ist oder sie in einem Kontext erfolgt, der ihre Gefährlichkeit erheblich mindert.

§ 130 Abs. 3 StGB Leugnung des Holocaust

Eine Ausnahme von der Strafbarkeit nach § 130 Abs. 3 StGB kann bestehen, wenn die Äußerung im Rahmen wissenschaftlicher Forschung oder Lehre erfolgt, wobei die Absicht nicht auf die Störung des öffentlichen Friedens gerichtet sein darf. Die Aussage muss jedoch eindeutig dieser Zweckbestimmung zugeordnet werden können.

§ 9 StGB Tatort und Erfolgsort

Eine Ausnahme bei der Bestimmung des Erfolgsortes könnte dann vorliegen, wenn die Äußerung im Ausland erfolgt und keine Möglichkeit besteht, dass sie im Inland eine Wirkung entfaltet. Das wäre etwa der Fall, wenn der Zugang zu den entsprechenden Inhalten aus Deutschland technisch gesperrt ist.

Angewandte Auslegung

Im vorliegenden Fall wurde die prinzipielle Auslegung angewandt. Die Aussagen des Angeklagten erfüllten sowohl die Tatbestände des § 130 Abs. 1 als auch des § 130 Abs. 3 StGB nach ihrer Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören. Der Erfolgsort wurde gemäß § 9 StGB nach der potentiellen Wirkung im Inland bestimmt, da die Internetveröffentlichungen für deutsche Nutzer zugänglich waren und daher geeignet, das friedliche Zusammenleben in Deutschland zu gefährden. Die Ausnahmeauslegung fand keine Anwendung, da die Tatbestandsmerkmale eindeutig erfüllt waren und keine besonderen Umstände vorlagen, die eine Ausnahme rechtfertigen würden.

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Holocaust-Leugnung Lösungsansatz

1 StR 184/00 Lösungsansatz

In dem Fall 1 StR 184/00 wurde der Angeklagte für seine Veröffentlichungen, die den Holocaust leugnen, im Internet verurteilt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass solche Äußerungen, selbst wenn sie von einem ausländischen Server stammen, in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie für Internetnutzer in Deutschland zugänglich sind und geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Klage war der richtige Weg, um gegen die schädlichen Äußerungen vorzugehen, da das Gericht den internationalen Bezug der Veröffentlichung anerkannte und entsprechend deutsches Strafrecht anwendete. Aufgrund der Komplexität und der internationalen Aspekte des Falles wäre es ratsam gewesen, einen erfahrenen Anwalt mit diesem Fachgebiet zu beauftragen, um die Chancen auf Erfolg zu maximieren.

Ähnliche Fälle Lösungsansätze

Autor leugnet Holocaust in privatem Rahmen

In einem Fall, in dem der Autor den Holocaust in einem rein privaten Rahmen leugnet, wäre eine Klage wahrscheinlich nicht erfolgreich, da die Äußerung nicht öffentlich ist. Hier wäre es sinnvoller, das Gespräch zu suchen oder gegebenenfalls eine Mediation vorzuschlagen, um Missverständnisse oder Unwissenheit aufzuklären.

Artikel nur auf ausländischen Servern ohne Deutschlandzugang

Wenn der Artikel ausschließlich auf ausländischen Servern veröffentlicht wurde und für Nutzer in Deutschland nicht zugänglich ist, wäre eine Klage in Deutschland unwahrscheinlich erfolgreich. Der Fokus sollte darauf liegen, die Entfernung des Inhalts auf freiwilliger Basis mit dem Serverbetreiber im Ausland zu verhandeln, möglicherweise unterstützt durch internationale Rechtsbeziehungen.

Veröffentlichung ohne Bezug zur deutschen Bevölkerung

Falls die Veröffentlichung keinen spezifischen Bezug zur deutschen Bevölkerung hat, könnte eine Klage schwierig sein. In diesem Fall wäre es ratsam, die Angelegenheit zunächst außergerichtlich zu klären oder sich an internationale Organisationen gegen Rassismus zu wenden, um Druck auf die Veröffentlichungsplattform auszuüben.

Veröffentlichung durch Dritte ohne Einwilligung des Autors

Wenn eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Autors erfolgt, sollte der Autor zunächst die Entfernung der Inhalte verlangen. Sollte dies nicht erfolgreich sein, könnte eine Klage gegen die veröffentlichende Partei wegen Verletzung des Urheberrechts oder Persönlichkeitsrechts sinnvoll sein. Hierbei wäre die Beratung durch einen spezialisierten Anwalt empfehlenswert, um die rechtlichen Schritte korrekt zu gestalten.

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FAQ

Was ist Volksverhetzung?

Volksverhetzung ist eine Straftat, die darauf abzielt, den öffentlichen Frieden zu stören, indem Hass oder Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen geschürt wird.

Ist Holocaust-Leugnung strafbar?

Ja, die Leugnung des Holocaust ist in Deutschland strafbar und fällt unter den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB.

Welche Strafen drohen?

Bei Volksverhetzung können Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren verhängt werden, abhängig von der Schwere der Tat.

Gilt deutsches Recht im Ausland?

Deutsches Strafrecht kann auch im Ausland gelten, wenn der Erfolg der Tat im Inland eintritt, wie bei Internet-Delikten.

Was ist ein Erfolgsort?

Ein Erfolgsort ist der Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eintritt, was bei Internet-Delikten auch das Inland sein kann.

Wie wird Internet-Delikte verfolgt?

Internet-Delikte werden durch die zuständigen Behörden verfolgt, insbesondere wenn der Inhalt im Inland abrufbar ist und dort rechtliche Folgen hat.

Was sind revisionistische Thesen?

Revisionistische Thesen stellen historische Tatsachen, wie den Holocaust, verzerrt dar und zielen darauf ab, diese zu leugnen oder zu verharmlosen.

Warum ist Friedensstörung relevant?

Die Eignung zur Friedensstörung ist ein zentrales Kriterium bei der Bewertung von Volksverhetzung und entscheidet über die Strafbarkeit.

Wie wird Meinungsfreiheit geschützt?

Die Meinungsfreiheit wird durch das Grundgesetz geschützt, jedoch nicht, wenn sie die Menschenwürde verletzt oder den öffentlichen Frieden stört.

Was bedeutet abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt?

Ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt liegt vor, wenn eine Handlung generell geeignet ist, eine Gefahr herbeizuführen, ohne dass eine konkrete Gefahr eintreten muss.

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