Diebstahl und Psychose: Kann Schuldunfähigkeit alles entschuldigen (1 StR 428/00)

Haben Sie schon einmal erlebt, dass Ihnen etwas aus Ihrem Auto gestohlen wurde, während es unverschlossen war? Sie sind nicht allein, denn viele Menschen stehen vor genau diesem Problem, und es gibt tatsächlich eine wichtige Gerichtsentscheidung, die bei der Lösung helfen kann. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, könnte dieser Bundesgerichtshof-Beschluss der Schlüssel zur Klärung Ihrer rechtlichen Fragen sein, also lesen Sie aufmerksam weiter.

1 StR 428/00 Diebstahl aus Pkw

Fallübersicht

Konkrete Situation

Ein Angeklagter war zwischen Januar 1998 und August 1999 in zahlreiche strafbare Handlungen verwickelt, darunter 18 Diebstähle. Die Taten erfolgten meist durch Diebstahl aus unverschlossenen Pkw, wobei der Angeklagte Radios, Dokumente und andere Wertgegenstände entwendete. Die übrigen Straftaten standen im Zusammenhang mit dem Versuch, die gestohlenen Güter zu verwerten, zum Beispiel durch Einkäufe mit gestohlenen Scheckkarten.

Kläger (Staatsanwaltschaft)

Die Staatsanwaltschaft klagte den Angeklagten wegen wiederholten Diebstahls und anderer Delikte an. Sie behauptete, dass der Angeklagte bewusst und vorsätzlich gehandelt habe und eine Strafverfolgung unabdingbar sei, um die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten.

Beklagter (Angeklagter)

Der Angeklagte gab an, dass er aufgrund einer psychischen Störung zur Tatzeit nicht voll schuldfähig gewesen sei. Es wurde behauptet, dass er unter einer Psychose leide, die seine Handlungsfähigkeit erheblich einschränke, was bereits in früheren Ermittlungsverfahren zu seiner Entlastung geführt habe.

Urteilsergebnis

Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Urteil des Landgerichts München I teilweise aufgehoben wird, abgesehen von den Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten. Die Revision des Angeklagten hatte insoweit Erfolg, als dass die Anordnung zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund unklarer Feststellungen zur Schuldfähigkeit nicht bestehen bleiben konnte. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

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1 StR 428/00 Relevante Gesetzesartikel

§ 63 StGB

Dieser Paragraph des Strafgesetzbuches behandelt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese Maßnahme wird ergriffen, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 20 oder § 21 StGB) begangen hat und erwartet wird, dass er aufgrund seines Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Einfach gesagt, wenn jemand aufgrund psychischer Störungen nicht für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden kann, kann er in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden, um die Gesellschaft zu schützen.

§ 20 StGB

In diesem Artikel geht es um die Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen. Wenn jemand infolge einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, gilt er als schuldunfähig. Dies bedeutet, dass die Person für ihre Handlungen nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, da ihre geistigen Fähigkeiten erheblich beeinträchtigt waren.

§ 21 StGB

Hier wird die verminderte Schuldfähigkeit beschrieben. Eine Person ist vermindert schuldfähig, wenn ihre Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der Tat erheblich vermindert ist, aber nicht vollständig aufgehoben. In solchen Fällen kann das Gericht die Strafe mildern. Dies ist eine Art “Mittelweg”, wenn jemand zwar geistige Beeinträchtigungen hat, aber noch in gewissem Maße für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden kann.

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1 StR 428/00 Entscheidungsgrundlagen

Grundlegende Auslegung

§ 63 StGB

Der § 63 des Strafgesetzbuches (StGB) befasst sich mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Grundsätzlich setzt diese Maßnahme voraus, dass der Täter wegen einer schweren psychischen Störung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Das bedeutet, es muss klar nachgewiesen werden, dass zum Zeitpunkt der Tat oder der Hauptverhandlung eine solche Störung vorliegt, die die Fähigkeit des Täters, Unrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich beeinträchtigt.

§ 20 StGB

Gemäß § 20 StGB ist ein Täter schuldunfähig, wenn er bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder aus ähnlichen Gründen unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Dies erfordert einen eindeutigen Nachweis, dass die genannten Beeinträchtigungen zur Tatzeit vorlagen und die Handlungsfähigkeit des Täters wesentlich beeinträchtigten.

§ 21 StGB

Der § 21 StGB regelt die verminderte Schuldfähigkeit, die vorliegt, wenn die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert war. Anders als bei § 20 StGB, der vollständige Schuldunfähigkeit behandelt, geht es hier um eine teilweise Beeinträchtigung. Diese verminderte Schuldfähigkeit muss jedoch ebenfalls klar nachgewiesen werden.

Ausnahmeauslegung

§ 63 StGB

In Ausnahmefällen kann die Anwendung des § 63 StGB auch dann in Betracht gezogen werden, wenn Unsicherheiten bezüglich der Schwere der psychischen Störung bestehen, jedoch eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit nicht ausgeschlossen werden kann. Dies erfordert eine umfassende Prüfung aller Umstände, die auf eine potenzielle Gefährlichkeit des Täters hinweisen.

§ 20 StGB

Ausnahmsweise kann § 20 StGB in Betracht gezogen werden, wenn es erhebliche Zweifel an der Schuldfähigkeit des Täters gibt. Dabei müssen jedoch hinreichende Anhaltspunkte für eine vollständige Aufhebung der Einsichtsfähigkeit vorliegen, selbst wenn diese nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

§ 21 StGB

Für die Anwendung des § 21 StGB in Ausnahmefällen ist es erforderlich, dass überzeugende Indizien für eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit vorliegen, auch wenn diese nicht eindeutig belegt werden können. Diese Indizien müssen jedoch stark genug sein, um eine verminderte Schuldfähigkeit plausibel zu machen.

Angewandte Auslegung

In diesem Fall wurde die Anwendung der genannten Paragraphen sowohl grundlegend als auch ausnahmsweise geprüft. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs basierte auf der Unsicherheit über den Zustand des Angeklagten zur Tatzeit. Die Feststellung, dass der Angeklagte “möglicherweise” unter den Voraussetzungen des § 20 StGB handelte, war unzureichend, da dies nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt wurde. Diese Unsicherheiten führten dazu, dass die Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB keinen Bestand haben konnte. Daher wurde die Anwendung eher in Richtung einer Ausnahmeauslegung diskutiert, jedoch fehlte der klare Nachweis für die erforderliche Gefährlichkeit oder psychische Störung, um diese Maßnahme zu rechtfertigen.

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Psychiatrische Unterbringung Lösungsmethoden

1 StR 428/00 Lösungsmethoden

In der vorliegenden Rechtssache wurde der Angeklagte aufgrund von Schuldunfähigkeit freigesprochen, jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Diese Entscheidung zeigt, dass eine sorgfältige Prüfung des psychischen Zustands zur Tatzeit und zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung entscheidend ist. Die Revision führte zur Aufhebung der Unterbringungsanordnung, da die Voraussetzungen nicht eindeutig nachgewiesen wurden. In solchen Fällen ist es ratsam, die Hilfe eines erfahrenen Strafverteidigers in Anspruch zu nehmen, der die psychischen Gutachten kritisch hinterfragen und gegebenenfalls alternative Behandlungswege vorschlagen kann. Ein selbstständiges Vorgehen ohne rechtliche Unterstützung könnte hier zu nachteiligen Entscheidungen führen.

Ähnliche Fälle Lösungsmethoden

Diebstahl bei verminderter Schuldfähigkeit

Bei Fällen von Diebstahl, bei denen verminderte Schuldfähigkeit im Raum steht, sollte der Angeklagte unbedingt psychiatrische Gutachten einholen und diese durch einen Fachanwalt überprüfen lassen. Wenn die psychische Erkrankung gut dokumentiert ist, kann dies im Prozess von Vorteil sein. In vielen Fällen ist ein Vergleich mit der Staatsanwaltschaft möglich, der eine Strafmilderung oder eine alternative Maßnahme wie Therapie statt Gefängnis vorsieht.

Ersttäter mit psychischen Problemen

Für Ersttäter, die unter psychischen Problemen leiden, ist es oft sinnvoll, auf eine gerichtliche Auseinandersetzung zu verzichten und stattdessen eine außergerichtliche Einigung anzustreben. Hierbei können Therapieangebote und die Zusicherung, sich in Behandlung zu begeben, zu einer Einstellung des Verfahrens führen. Ein Anwalt kann dabei helfen, die Gespräche mit der Staatsanwaltschaft zu führen und eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Serien-Diebstahl mit Bandenmitgliedschaft

In komplexeren Fällen wie Serien-Diebstahl in Verbindung mit einer Bandenmitgliedschaft ist die rechtliche Beratung unerlässlich. Die Verteidigung muss strategisch vorgehen und überlegen, ob eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden sinnvoll sein könnte, um eine Strafmilderung zu erreichen. Ein auf Strafrecht spezialisierter Anwalt ist hierbei unentbehrlich, um die Chancen einer erfolgreichen Verteidigung zu erhöhen.

Wiederholungstäter in Therapie

Wiederholungstäter, die sich bereits in Therapie befinden, sollten diesen Umstand im Verfahren geltend machen. Hierbei kann ein Anwalt helfen, die Therapieerfolge zu dokumentieren und dem Gericht darzulegen. Eine gut belegte Therapiebereitschaft und -erfolg können dazu führen, dass eine Haftstrafe durch eine Bewährungsstrafe ersetzt wird. Eine rechtliche Vertretung ist hier von Vorteil, um die therapeutischen Fortschritte überzeugend zu präsentieren.

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FAQ

Was ist § 63 StGB?

§ 63 StGB regelt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn wegen einer psychischen Störung eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht.

Was bedeutet Schuldunfähigkeit?

Schuldunfähigkeit bedeutet, dass eine Person aufgrund einer schweren psychischen Störung nicht in der Lage ist, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Wann greift § 20 StGB?

§ 20 StGB greift, wenn eine Person aufgrund einer psychischen Störung oder ähnlichen Beeinträchtigung schuldunfähig ist und daher für ihre Handlungen nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann.

Was ist eine Psychose?

Eine Psychose ist eine schwere psychische Störung, bei der die betroffene Person den Bezug zur Realität verliert und unter Wahnvorstellungen oder Halluzinationen leiden kann.

Wie wird Diebstahl bestraft?

Diebstahl wird nach § 242 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Strafe kann höher ausfallen, wenn erschwerende Umstände vorliegen.

Wann ist Unterbringung nötig?

Eine Unterbringung ist nötig, wenn eine Person aufgrund einer psychischen Störung eine erhebliche Gefahr für sich selbst oder die Allgemeinheit darstellt.

Was bedeutet Gesamtwürdigung?

Gesamtwürdigung bedeutet, dass alle Umstände eines Falles umfassend betrachtet werden, um eine angemessene rechtliche Entscheidung zu treffen.

Wie erfolgt neue Verhandlung?

Eine neue Verhandlung erfolgt durch Zuweisung des Falls an eine andere Kammer, die den Fall erneut verhandelt und über die rechtlichen Konsequenzen entscheidet.

Was ist eine Revision?

Eine Revision ist ein Rechtsmittel, mit dem ein Urteil auf Rechtsfehler überprüft wird. Sie führt nicht zu einer neuen Beweisaufnahme, sondern einer rechtlichen Überprüfung.

Wie wird Klinikaufenthalt angeordnet?

Ein Klinikaufenthalt wird durch ein Gericht angeordnet, wenn die Voraussetzungen nach § 63 StGB erfüllt sind, also eine erhebliche Gefahr durch die psychische Störung besteht.

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