Angeklagter mit MS kämpft um Gerichtsstandort (2 ARs 126/00)

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob es fair ist, dass Ihr Gerichtsverfahren an einem weit entfernten Ort stattfindet, obwohl Sie gesundheitlich eingeschränkt sind? Viele Menschen stehen vor dem Problem, dass sie aufgrund ihrer Wohnsitzverlagerung in ein anderes Gerichtszuständigkeitsgebiet mit zusätzlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden. Glücklicherweise gibt es ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs, das in solchen Fällen Klarheit schafft, und es lohnt sich, dieses genauer zu betrachten, um mögliche Lösungen zu finden.

2 ARs 126/00 Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

Fallübersicht

Konkrete Situation

In diesem Fall geht es um einen Angeklagten, der beschuldigt wird, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Der Vorfall ereignete sich, als der Angeklagte in Münchberg wohnte, später jedoch nach Augsburg umzog. Der Streitpunkt ist, ob das Gericht in Augsburg für den Fall zuständig ist, nachdem der Angeklagte seinen Wohnsitz verlegt hat.

Kläger (Staatsanwaltschaft): Verletzung des Betäubungsmittelgesetzes durch den Angeklagten

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Angeklagten, gegen das Betäubungsmittelgesetz (Gesetz zur Kontrolle und Begrenzung des Umgangs mit Betäubungsmitteln) verstoßen zu haben. Sie argumentiert, dass die Verhandlung am ursprünglich zuständigen Gericht in Münchberg stattfinden sollte, obwohl der Angeklagte mittlerweile in Augsburg lebt.

Beklagter (Angeklagter): Keine Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz

Der Angeklagte, der an multipler Sklerose leidet, behauptet, dass das Gericht in Augsburg zuständig sein sollte, da er aus gesundheitlichen Gründen nur dort verhandlungsfähig ist. Er hat seinen Wohnsitz nach der Anklageerhebung von Münchberg nach Augsburg verlegt und argumentiert, dass dadurch die Zuständigkeit des Gerichts in Augsburg begründet sei.

Urteilsergebnis

Der Angeklagte hat den Fall gewonnen. Das Gericht entschied, dass die Übertragung der Sache an das Landgericht Augsburg abgelehnt wird. Das Landgericht Hof bleibt zuständig. Der Grund dafür ist, dass der Umzug des Angeklagten nach Augsburg nach der Anklageerhebung keine neue Zuständigkeit begründet. Das Landgericht Hof kann jedoch nach eigenem Ermessen die Verhandlung in Augsburg durchführen, wenn es dies für angemessen hält.

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2 ARs 126/00 Relevante Gesetzesartikel

§ 12 Abs. 2 StPO

§ 12 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) regelt die Übertragung der Zuständigkeit eines Gerichts. In diesem Fall geht es darum, ob das Verfahren an ein anderes Gericht, in diesem Fall das Landgericht Augsburg, übertragen werden kann. Die Regelung besagt, dass eine Übertragung nur dann möglich ist, wenn das neue Gericht ebenfalls zuständig ist. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass das Landgericht Augsburg nicht zuständig ist, da keine Wohnsitzzuständigkeit besteht. Diese wäre gegeben, wenn der Angeklagte zum Zeitpunkt der Anklageerhebung bereits in Augsburg gewohnt hätte. Da der Umzug jedoch erst nach diesem Zeitpunkt stattfand, kommt eine Übertragung nicht in Frage.

§ 8 StPO

§ 8 StPO behandelt die Wohnsitzzuständigkeit. Diese Regelung besagt, dass ein Gericht zuständig ist, wenn der Angeklagte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk dieses Gerichts hat. Im vorliegenden Fall wurde die Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg geprüft, da der Angeklagte dorthin verzogen ist. Allerdings fand der Umzug nach dem entscheidenden Zeitpunkt der Anklageerhebung statt, weshalb die Zuständigkeit des Landgerichts Hof nicht erlischt. Eine Wohnsitzzuständigkeit kann daher nicht begründet werden.

§ 15 StPO

§ 15 StPO behandelt die Frage der tatsächlichen Verhinderung eines Gerichts, sein Verfahren durchzuführen. Diese Bestimmung kommt dann zur Anwendung, wenn ein Gericht aufgrund besonderer Umstände nicht in der Lage ist, das Verfahren durchzuführen. Im vorliegenden Fall ist das Landgericht Hof in der Lage, die Verhandlung gegen den Angeklagten, der an multipler Sklerose leidet, durchzuführen. Laut Gutachten ist der Angeklagte zwar nur im Raum Augsburg verhandlungsfähig, jedoch hindert dies das Landgericht Hof nicht daran, die Verhandlung auch außerhalb seines Bezirks durchzuführen. Die Entscheidung, ob dies geschieht, liegt im Ermessen des Gerichts.

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2 ARs 126/00 Entscheidungsgrundlagen

Grundsätzliche Auslegung

§ 12 Abs. 2 StPO

Nach § 12 Abs. 2 StPO (Strafprozessordnung) kann eine Sache an ein anderes Gericht übertragen werden, wenn das ursprünglich zuständige Gericht die Sache nicht verhandeln kann. Dies ist ein wichtiger Grundsatz, der sicherstellt, dass ein Verfahren überhaupt stattfinden kann, sollte das gewählte Gericht nicht in der Lage sein, die Verhandlung zu führen.

§ 8 StPO

§ 8 StPO regelt die örtliche Zuständigkeit (Wohnsitzzuständigkeit) eines Gerichts. Normalerweise wird das Gericht am Wohnsitz des Angeklagten als zuständig angesehen. Dieser Grundsatz garantiert, dass Verfahren in der Nähe des Wohnorts des Angeklagten durchgeführt werden, was für die Beteiligten praktischer ist.

§ 15 StPO

§ 15 StPO behandelt die Übertragung von Verfahren bei tatsächlicher Verhinderung des ursprünglich zuständigen Gerichts. Dieser Artikel tritt in Kraft, wenn das Gericht aus unvorhergesehenen Gründen seine Aufgaben nicht erfüllen kann, etwa durch personelle oder strukturelle Engpässe.

Ausnahmsweise Auslegung

§ 12 Abs. 2 StPO

Ausnahmsweise kann § 12 Abs. 2 StPO angewandt werden, wenn außergewöhnliche Umstände es erfordern. Beispielsweise könnte ein Gericht eine Übertragung anstreben, um eine zügige Verhandlung sicherzustellen, wenn es aufgrund von Überlastung nicht rechtzeitig handeln kann.

§ 8 StPO

Eine Ausnahme von der Wohnsitzzuständigkeit nach § 8 StPO kann gemacht werden, wenn der Angeklagte seinen Wohnsitz nach der Anklageerhebung ändert. In solchen Fällen bleibt die ursprüngliche Zuständigkeit bestehen, um Missbrauch durch gezielten Wohnsitzwechsel zu verhindern.

§ 15 StPO

Auch bei § 15 StPO kann es zu Ausnahmen kommen. Sollte ein Gericht trotz eigentlicher Fähigkeit zur Verhandlung auf ein anderes Gericht ausweichen wollen, müsste es hierfür triftige Gründe anführen, etwa spezielle medizinische Bedürfnisse eines Angeklagten.

Angewandte Auslegung

In diesem Fall wurde die grundsätzliche Auslegung der genannten Paragraphen angewandt. Das Landgericht Augsburg wurde nicht für zuständig befunden, da die Wohnsitzzuständigkeit nach § 8 StPO zum Zeitpunkt der Anklageerhebung in Münchberg lag und der spätere Umzug des Angeklagten nach Augsburg keine neue Zuständigkeit begründet. Auch die Übertragung nach § 15 StPO wurde abgelehnt, da das Landgericht Hof nicht tatsächlich verhindert war, die Verhandlung abzuhalten, obwohl der Angeklagte gesundheitliche Einschränkungen hatte. Letztlich zeigte sich, dass die bestehenden Regelungen ausreichend waren, um die Verhandlung ordnungsgemäß durchzuführen.

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Betäubungsmittelgesetz Lösungsmöglichkeiten

2 ARs 126/00 Lösungsmöglichkeiten

In diesem Fall hat der Kläger versucht, die Verhandlung an ein anderes Gericht zu übertragen, was jedoch vom Bundesgerichtshof abgelehnt wurde. Hierbei handelt es sich um keine erfolgreiche Klageführung, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Übertragung nicht gegeben waren. Ein erfolgversprechenderer Ansatz hätte darin bestehen können, direkt mit dem zuständigen Gericht in Hof eine Verhandlungsmöglichkeit vor Ort zu erörtern, anstatt eine gerichtliche Übertragung zu beantragen. In solchen Verfahren wäre es ratsam gewesen, die Beratung eines spezialisierten Anwalts in Anspruch zu nehmen, um die Chancen und Risiken einer solchen Klage besser einschätzen zu können.

Ähnliche Fälle Lösungsmöglichkeiten

Wohnsitzwechsel nach Anklageerhebung

Wenn der Angeklagte nach der Anklageerhebung umzieht, könnte eine Lösung darin bestehen, zunächst außergerichtliche Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft zu führen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Ein Umzug allein begründet nicht automatisch die Zuständigkeit eines neuen Gerichts, daher wäre eine Klage in diesem Fall nicht ratsam. Eine außergerichtliche Einigung könnte effizienter sein.

Gerichtliche Verhinderung durch Krankheit

Bei einer ernsthaften Erkrankung des Angeklagten, die eine Teilnahme an der Verhandlung unmöglich macht, wäre es sinnvoll, ein ärztliches Attest einzureichen und einen Antrag auf Verschiebung der Verhandlung zu stellen. Sollte das Gericht dennoch auf einer Verhandlung bestehen, könnte ein spezialisierter Anwalt helfen, die medizinischen Gründe überzeugend darzulegen, um eine Vertagung zu erreichen.

Ermessensentscheidung des Gerichtes

Bei Fragen zu Ermessensentscheidungen des Gerichtes, könnte eine direkte Anfrage beim Gericht sinnvoll sein, um die Beweggründe besser zu verstehen. Falls die Entscheidung als unangemessen empfunden wird, könnte eine Beschwerde erwogen werden, wobei die Hilfe eines Anwalts sinnvoll wäre, um die Erfolgsaussichten zu prüfen.

Verhandlung außerhalb des Bezirks

Wenn eine Verhandlung außerhalb des Bezirks in Betracht gezogen wird, ist es ratsam, die logistischen und rechtlichen Aspekte im Vorfeld zu klären. Eine Klage gegen die Entscheidung, den Verhandlungsort nicht zu verlegen, wäre nur dann erfolgversprechend, wenn klare rechtliche Fehler nachgewiesen werden können. Ein Anwalt könnte hier die Chancen und Risiken einer Klage abwägen und gegebenenfalls eine alternative Lösung vorschlagen.

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FAQ

Was ist das Betäubungsmittelgesetz?

Das Betäubungsmittelgesetz regelt den Umgang mit Betäubungsmitteln in Deutschland, einschließlich ihrer Herstellung, Handel und Verwendung.

Welche Rolle spielt § 12 StPO?

§ 12 StPO behandelt die Übertragung von Strafsachen bei mehreren zuständigen Gerichten, um die gerichtliche Zuständigkeit zu klären.

Was passiert bei Wohnsitzwechsel?

Ein Wohnsitzwechsel nach der Anklageerhebung beeinflusst die Zuständigkeit nicht, da der Zeitpunkt der Anklage maßgeblich ist.

Wann ist ein Gericht zuständig?

Ein Gericht ist zuständig, wenn es örtlich und sachlich für den Fall verantwortlich ist, basierend auf dem Wohnsitz des Angeklagten und dem Tatort.

Wie wirkt sich eine Krankheit aus?

Eine Krankheit kann die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten beeinflussen und eventuell den Verhandlungsort ändern.

Was bedeutet Ermessen des Gerichts?

Ermessen des Gerichts bedeutet, dass das Gericht innerhalb gesetzlicher Rahmenbedingungen Entscheidungen treffen kann, z.B. zur Verhandlungsführung.

Kann eine Verhandlung verlegt werden?

Ja, eine Verhandlung kann unter bestimmten Umständen verlegt werden, etwa aus gesundheitlichen Gründen des Angeklagten.

Welche Gesetze sind relevant?

Relevante Gesetze umfassen das Betäubungsmittelgesetz sowie die Strafprozessordnung (StPO) zur Regelung der Zuständigkeit.

Wie wird ein Fall übertragen?

Ein Fall wird durch gerichtlichen Beschluss übertragen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsänderung vorliegen.

Was ist eine Verfahrenseinstellung?

Eine Verfahrenseinstellung ist die vorläufige oder endgültige Beendigung eines Strafverfahrens ohne Urteil.

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