Streit um Provokation und Alkoholeinfluss bei Totschlag (2 StR 249/00)

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob ein Gerichtsurteil Ihre Strafe wirklich fair bemessen hat? Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, dass Urteile nicht immer alle mildernden Umstände ausreichend berücksichtigen. Doch keine Sorge, der Bundesgerichtshof hat in einem wegweisenden Fall gezeigt, wie solche Ungerechtigkeiten korrigiert werden können – lesen Sie weiter, um mehr zu erfahren.

2 StR 249/00 Totschlag mit Alkoholbeeinflussung

Fallübersicht

Konkrete Situation

Ein Mann wurde wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Der Fall drehte sich um eine Tat, bei der der Angeklagte unter erheblichem Alkoholeinfluss (mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,86 Promille) handelte. Es gab eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Opfer, bei der der Angeklagte angab, er habe die provokanten Äußerungen des Opfers als Anlass für seine Tat empfunden.

Kläger (Angeklagter) behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben.

Der Angeklagte, der in der Vergangenheit nicht vorbestraft war, behauptet, im Wesentlichen aus Notwehr gehandelt zu haben. Er führte an, dass er sich durch die Provokationen des Opfers bedroht fühlte und diese als Rechtfertigung für seine Handlung sah.

Beklagter (Staatsanwaltschaft) verlangt höhere Strafe wegen Totschlags.

Die Staatsanwaltschaft forderte eine Verurteilung wegen Totschlags und hielt die verhängte Strafe für angemessen. Sie argumentierte, dass der Angeklagte seine Handlungen nicht ausreichend durch eine verminderte Steuerungsfähigkeit aufgrund von Alkohol rechtfertigen könne.

Urteil

Der Angeklagte erzielte einen Teilerfolg. Das Urteil des Landgerichts Darmstadt wurde im Hinblick auf den Strafausspruch aufgehoben. Das Verfahren wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision, die den Schuldspruch betraf, wurde jedoch verworfen. Der neue Tatrichter muss auch die Möglichkeit einer Provokation durch das Opfer genauer prüfen und die in Belgien erlittene Auslieferungshaft berücksichtigen.

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2 StR 249/00 Relevante Rechtsvorschriften

§ 212 Abs. 1 StGB

Der § 212 Abs. 1 StGB befasst sich mit dem Totschlag. Dieser Paragraf legt fest, dass eine Person, die einen anderen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, mit einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft wird. Diese Vorschrift ist besonders relevant, da sie den Regelstrafrahmen für Totschlag bestimmt. In diesem Fall wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, was in der Mitte des Regelstrafrahmens liegt. Das Gericht hat jedoch keine besonderen Straferschwerungsgründe festgestellt, was die Angemessenheit der Strafhöhe in Frage stellt.

§ 213 StGB

§ 213 StGB behandelt minder schwere Fälle des Totschlags. Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn gewisse mildernde Umstände gegeben sind, die eine Herabsetzung der Strafe rechtfertigen. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird darauf hingewiesen, dass das Landgericht mehrere Milderungsgründe anerkannt, aber keinen minder schweren Fall gesehen hat. Dies wurde als rechtsfehlerhaft erachtet. Der Angeklagte war nicht vorbestraft und zeigte durch sein Geständnis Reue. Zudem waren seine Handlungen möglicherweise durch Provokationen des Opfers beeinflusst. Diese Umstände hätten potenziell zu einer milderen Bestrafung führen können.

§ 349 Abs. 2 StPO

§ 349 Abs. 2 StPO beschreibt die Möglichkeit, eine Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, wenn die Überprüfung keine Rechtsfehler ergibt, die zu einer Abänderung des Urteils führen könnten. Im vorliegenden Fall wurde die Revision des Angeklagten teilweise verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung an sich richtete. Allerdings hatte die Revision Erfolg hinsichtlich des Strafausspruchs, da das Gericht die Milderungsgründe nicht ausreichend berücksichtigte. Dies zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Abwägung aller Umstände in der Strafzumessung ist.

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2 StR 249/00 Urteilsgrundlagen

Grundsätzliche Auslegung

§ 212 Abs. 1 StGB

Der § 212 Abs. 1 StGB behandelt den Totschlag und sieht eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren vor. Grundsätzlich wird hier der “normale” Fall des Totschlags betrachtet, bei dem weder besondere mildernde noch erschwerende Umstände vorliegen. Es geht um den Vorsatz, einen anderen Menschen zu töten, was die zentrale Voraussetzung dieses Tatbestandes darstellt. Hierbei ist es wichtig, dass eine bewusste Tötungsabsicht vorliegt.

§ 213 StGB

§ 213 StGB befasst sich mit minder schweren Fällen des Totschlags. Diese Regelung kommt ins Spiel, wenn besondere mildernde Umstände vorliegen, die die Tat weniger schwer erscheinen lassen. Solche Umstände können beispielsweise starke Provokation durch das Opfer oder eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Täters sein. In diesem Kontext wird eine umfassende Abwägung aller Umstände vorgenommen.

§ 349 Abs. 2 StPO

§ 349 Abs. 2 StPO bezieht sich auf die Zurückweisung offensichtlich unbegründeter Revisionen. Wenn eine Revision keine Aussicht auf Erfolg hat, kann sie ohne Hauptverhandlung abgelehnt werden. Diese Bestimmung dient der Prozessökonomie, um das Gericht nicht mit aussichtslosen Fällen zu belasten.

Ausnahmsweise Auslegung

§ 212 Abs. 1 StGB

Eine ausnahmsweise Auslegung von § 212 Abs. 1 StGB könnte in Betracht gezogen werden, wenn der Fall vom typischen Totschlag erheblich abweicht. Dies wäre der Fall, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die entweder stark belastend oder stark entlastend sind. Solche Umstände könnten beispielsweise eine besonders grausame Tötungsweise oder eine erhebliche Provokation durch das Opfer sein.

§ 213 StGB

Bei § 213 StGB würde eine ausnahmsweise Auslegung stattfinden, wenn die Umstände so außergewöhnlich sind, dass sie die Tat in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. Dies könnte der Fall sein, wenn das Opfer den Täter in einer Weise provoziert hat, die weit über das hinausgeht, was gemeinhin als Provokation verstanden wird, oder wenn der Täter unter extremem psychischen Druck gehandelt hat.

§ 349 Abs. 2 StPO

Eine ausnahmsweise Auslegung von § 349 Abs. 2 StPO könnte erfolgen, wenn die Revision zwar zunächst unbegründet erscheint, aber dennoch rechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, die eine eingehendere Prüfung erfordern. Dies könnte der Fall sein, wenn neue rechtliche Entwicklungen oder bisher ungeklärte Rechtsfragen im Raum stehen.

Angewandte Auslegung

In diesem Fall hat das Gericht die grundsätzliche Auslegung von § 212 Abs. 1 StGB sowie die Möglichkeit eines minder schweren Falls nach § 213 StGB geprüft. Die Entscheidung, die Strafe im Rahmen von § 212 Abs. 1 StGB festzusetzen, basierte auf der Feststellung, dass keine außergewöhnlichen mildernden Umstände vorlagen, die einen minder schweren Fall rechtfertigen würden. Dennoch wurde die Strafe aufgehoben, da die Begründung des Landgerichts in Bezug auf die Strafzumessung als fehlerhaft angesehen wurde, insbesondere da gewichtige Milderungsgründe festgestellt wurden, jedoch keine Erschwerungsgründe. Somit war die grundsätzliche Auslegung von § 213 StGB nicht ausreichend berücksichtigt worden, was zu einer erneuten Verhandlung führte.

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Strafzumessung mit Milderungsgründen + Lösung

2 StR 249/00 Lösungsansatz

In diesem Fall hat das Gericht festgestellt, dass die ursprüngliche Strafzumessung des Landgerichts Darmstadt nicht den rechtlichen Anforderungen entsprach. Obwohl mehrere mildernde Umstände wie Alkoholbeeinflussung, Provokation durch das Opfer und das Geständnis des Angeklagten vorlagen, wurde dennoch eine Strafe in der Mitte des Regelstrafrahmens verhängt. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg, was zeigt, dass der Weg über die gerichtliche Überprüfung erfolgreich war. In solchen komplexen Fällen ist es ratsam, einen erfahrenen Strafverteidiger zu konsultieren, um die Chancen auf eine erfolgreiche Revision zu erhöhen. Ein “Do-it-yourself”-Ansatz wäre hier nicht empfehlenswert gewesen, da die rechtlichen Feinheiten und die Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung entscheidend waren.

Ähnliche Fälle Lösungsansatz

Mildernde Umstände durch Alkohol

Stellen Sie sich vor, jemand wird wegen einer Straftat angeklagt, die unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen wurde. In einem solchen Fall könnte es sinnvoll sein, die Alkoholbeeinflussung als mildernden Umstand im Verfahren zu thematisieren. Ein Anwalt kann dabei helfen, medizinische Gutachten einzuholen und die Argumentation vor Gericht zu präsentieren. Ein gerichtliches Verfahren ist hier meistens der richtige Weg, um eine gerechte Strafe zu erreichen.

Provokation des Opfers als mildernder Faktor

Angenommen, eine Person wird beschuldigt, nach einer Provokation durch das Opfer eine Straftat begangen zu haben. Hier kann es hilfreich sein, die Umstände der Provokation detailliert darzulegen, um die Strafe zu mildern. Eine außergerichtliche Einigung könnte in solchen Fällen auch eine Option sein, insbesondere wenn beide Parteien an einer schnellen Lösung interessiert sind. Eine juristische Beratung wäre dennoch ratsam, um die besten Optionen abzuwägen.

Geständnis als Strafmilderungsgrund

In einem Szenario, in dem der Angeklagte die Tat gesteht, kann das Geständnis als wesentlicher Strafmilderungsgrund gewertet werden. Es könnte sinnvoll sein, direkt im Vorfeld ein Geständnis abzulegen und dies als Teil einer Verhandlungstaktik zu nutzen. Ein Anwalt kann helfen, das Geständnis strategisch zu platzieren und eventuell eine mildere Strafe auszuhandeln. In solchen Fällen ist eine professionelle Unterstützung oft die beste Wahl.

Keine Vorstrafen

Wenn jemand ohne Vorstrafen wegen einer Straftat angeklagt wird, kann dies als mildernder Umstand wirken. Es könnte sich lohnen, diesen Aspekt im Verfahren zu betonen. In solchen Fällen könnte ein außergerichtlicher Vergleich ebenfalls eine sinnvolle Lösung darstellen, um die Auswirkungen auf das Leben des Beschuldigten zu minimieren. Ein Anwalt kann hier helfen, die verschiedenen Optionen zu prüfen und die beste Vorgehensweise zu wählen.

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FAQ

Was ist Totschlag?

Totschlag ist die vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne die Merkmale eines Mordes.

Wie wirkt Alkohol strafmildernd?

Alkohol kann die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigen, was strafmildernd wirken kann, wenn die Schuldfähigkeit eingeschränkt ist.

Was sind Strafmilderungsgründe?

Strafmilderungsgründe sind Umstände, die die Schuld des Täters reduzieren, wie etwa Geständnisse oder fehlende Vorstrafen.

Welche Rolle spielen Vorstrafen?

Vorstrafen können sich strafverschärfend auswirken, da sie ein erhöhtes Rückfallrisiko nahelegen.

Wie wird eine Provokation bewertet?

Eine Provokation kann strafmildernd wirken, wenn sie eine affektive Reaktion des Täters nachvollziehbar macht.

Was bedeutet § 212 StGB?

§ 212 StGB regelt den Totschlag und sieht eine Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren vor.

Was regelt § 213 StGB?

§ 213 StGB behandelt minder schwere Fälle des Totschlags und ermöglicht eine mildere Bestrafung.

Wie funktioniert eine Revision?

Eine Revision überprüft Urteile auf Rechtsfehler, ohne die Tatsachenfeststellung erneut zu untersuchen.

Welche Strafen sind möglich?

Für Totschlag sieht das Gesetz Freiheitsstrafen zwischen fünf und fünfzehn Jahren vor, je nach Schwere des Falls.

Wie lange dauert eine Verhandlung?

Die Dauer einer Verhandlung kann variieren, hängt aber von der Komplexität des Falls und der Beweislage ab.

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